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Warum gibt es hier kein ABC?

Der Kollege Lix hat sich angesichts der Komplexität und Vielzahl chinesischer Schriftzeichen gefragt:

Ist eigentlich schon mal jemand auf die Idee gekommen, Chinesisch in lateinische Zeichen zu transkribieren (wie es zum Beispiel die Türken mit ihrer Sprache gemacht haben)?

Aber sicher – wie sonst können wir heute von Peking bzw. Beijng sprechen. Wie die unterschiedlichen Schreibweisen schon zeigen, gibt es sogar eine ganze Reihe von Lautschrift-Systemen, um Chinesisch mit unseren Buchstaben aufzuschreiben.

Das gebräuchlichste heißt Pinyin, das benutzen wir auch im Unterricht.

Nun ist Chinesisch eine Tonsprache mit vier verschiedenen „Tönen“.

Das heißt, eine Silbe wie jiu (sprich ungefähr „Joe“) kann ich auf vier verschiedene Arten aussprechen, die in Pinyin so notiert werden (ich hoffe, Euer Browser zeigt das korrekt an):

  • jiū
  • jiú
  • jiǔ
  • jiù

Ein zweisilbiges Wort wie „Beijing“ kann also auf rund 16 verschiedene Arten ausgesprochen werden. Damit auch in der Umschrift klar ist, was gemeint ist (nämlich „Nördliche Hauptstadt“), müssten wir also jedes Mal eigentlich schreiben: běijīng

Das ist das erste Problem mit der Umschrift. Das zweite ist noch gravierender: Weil Mandarin mit vier Tönen im Vergleich zu anderen Tonsprachen noch vergleichsweise wenig hat, gibt es insgesamt nur einige hundert unterschiedlich ausgesprochene Silben – aber viele tausend Schriftzeichen. Das heißt, der Trend geht zur Mehrfachverwertung.

Allein für jiu im dritten Ton, also jiǔ, kenne ich nach meinen paar Wochen Unterricht schon folgende Bedeutungen und Schriftzeichen:

  • Neun 九
  • lange Zeit 久
  • Alkohol 酒

Warum sollten die Chinesen/Taiwanesen ihre über Jahrtausende entwickelte Schrift gegen ein System eintauschen, das selbst bei korrekter Schreibweise keinen Unterschied zwischen „Alkohol“ und „Neun“ macht? Der Sinn von Texten würde sich auf den ersten Blick gar nicht mehr erschließen (dass es beim Sprechen funktioniert, halte ich immer noch für ein Wunder).

Kurz gesagt: Ein Fünftel der Weltbevölkerung kommt mit den Schriftzeichen gut klar. Ich würde nicht darauf setzen, dass sich das so bald ändert.

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

Comments

8 Antworten

  1. Es war nur dumm man hat keine richtige auskunft über das was ich suche obwohl hir alles drin sthet auser mein zeg nur SCHEU?E

  2. Hmmm… ich spekuliere mal munter drauflos.

    Was „Vereinfachung“ angeht, muss man unterscheiden zwischen Schrift und gesprochener Sprache.

    Die gesprochene Sprache ist ja eigentlich gar nicht so aufwändig oder kompliziert (auch wenn sich das für unsere westlichen Ohren ganz anders anhört).

    http://de.wikipedia.org/wiki/Hochchinesisch
    Fürs Mandarin/“Hochchinesisch“ gilt z.B.: Es gibt ein paar hundert mögliche Silben (weniger als im Deutschen, behaupte ich jetzt mal), die auf vier bzw. fünf verschiedene Arten betont werden können. Die meisten Wörter bestehen aus höchstens zwei solcher Silben. Und die Gramatik ist wirklich einfach. Wahrscheinlich lernen Kinder das als Muttersprache ziemlich schnell.

    Wie das im Detail mit den anderen chinesischen Sprachen, z.B. Kantonesisch, aussieht, weiß ich nicht genau.

    Und zur Schrift: Die konnte ruhig kompliziert sein, denn tausende Jahre lang wurde sie sowieso vor allem von der Beamten-Elite verwendet. Die meisten „Chinesen auf dem Land“ waren, wenn ich das richtig verstehe, Analphabeten oder kannten vielleicht gerade mal die wichtigsten Schrifzzeichen, Zahlen etc.

    Zitat aus http://de.wikipedia.org/wiki/Chinesische_Schrift
    Bis zum Ende der Kaiserzeit wurde die chinesische Schrift vorwiegend zum Schreiben der klassischen Schriftsprache 文言, wényán verwendet, die nur einer gebildeten Elite verständlich war. Seitdem wird die chinesische Schrift vorwiegend zum Schreiben der Standardschriftsprache 白話文, báihuàwén eingesetzt, die grammatisch den modernen nördlichen Dialekten ähnelt und von den Sprechern südlicher chinesischer Sprachen leichter als wényán erlernt werden kann. Die chinesische Schrift dient heute trotz der heterogenen Sprachsituation allen Chinesen, die báihuàwén lesen können (mit welcher Aussprache auch immer), als überregionales Medium der Verständigung. Aus diesem Grund werden beispielsweise viele Sendungen im chinesischen Fernsehen mit der chinesischen Schrift untertitelt. Neben der reinen Schriftkompetenz wird jetzt durch die modernen Medien und die flächendeckende Unterrichtung allerdings auch das gesprochene Hochchinesisch (báihuàwén plus Peking-Aussprache) zunehmend zum Allgemeingut.

    Die Volksrepublik hat ja auch gleich in den 50er Jahren die Schreibweise vieler Zeichen radikal vereinfacht, um was gegen den Analphabetismus zu tun:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Kurzzeichen

    Wie gesagt, ich kenne mich in solchen Fragen nicht wirklich aus, aber so erkläre ich es mir.

  3. So ist das also. Was ich bei dieser Sprache allerdings nicht verstehe, ist, warum sie nicht im Laufe der Zeit viel schlichter geworden ist. Also aus Latein wurde Italienisch, was eigentlich ein volkstümlicher Dialekt mit lateinischen Wurzeln war. Also eine Art Einfach-Latein. Wie haben es die Chinesen auf dem Land vor Hunderten von Jahren, als es kaum bis keine Schulen gab, geschafft, diese aufwändige Sprache zu lernen. Vermutlich benutzten sie auch eine deutlich vereinfachte Version?? Wenn ja: Warum ist diese Einfachversion nicht zur Hochsprache geworden??
    Komplizierte Frage, ich weiß, aber ich dachte eben spontan darüber nach…..

  4. Der fünfte Ton wird oft nicht mitgezählt, weil er „neutral“ ist und keine „besondere“ Betonung hat – und damit auch die wenigsten Probleme bei der Aussprache bereitet. Aber der Einwand ist natürlich berechtigt.

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