logo 3 small dark

Newsletter

ZDF setzt der Satire Grenzen

ZDF-Intendant Markus Schächter hat bei China um Entschuldigung gebeten – behauptet zumindest diese chinesische Propaganda-Website.

Sehr geehrter Herr Botschafter, Sie können sicher sein, dass wir nie die Absicht hatten, durch das Programm Heute Show die Gefühle des chinesischen Volkes zu verletzen oder zu beleidigen. Ich muss mich bei Ihnen für diese Sendung ausdrücklich entschuldigen* und Sie darum bitten, mein tiefes Bedauern an die Chinesen zu übermitteln.

Hintergrund ist ein Beitrag in der „heute-show“ (das ist eine Satiresendung, die mit den heute-Nachrichten nichts zu tun hat), in dem Ex-Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn sich auf der Frankfurter Buchmesse über Chinesen lustig macht.

http://www.youtube.com/watch?v=hGJBwOgttbE

Der Beitrag ist in der ZDF-Mediathek „aus rechtlichen Gründen“ nicht mehr abrufbar und offenbar gesperrt worden. Man findet ihn auch nicht mehr auf todou.com, dem chinesischen Youtube, wo er die übliche Flut von „wir sind in unserem Nationalstolz verletzt und ganz furchtbar traurig, außerdem finden die bösen Ausländer uns sowieso alle böse“-Kommentaren nach sich zog und noch immer zieht (und einige, die zur Besonnenheit mahnen und verstanden haben, was Satire ist).

Nun ist dieser Beitrag für eine Satiresendung geradezu erschreckend unkomisch. Ausländer vorzuführen, weil sie kein Deutsch sprechen, ist schon ziemlich mies. (Und wird auch nicht besser dadurch, dass der NDR das Thema „böses China auf der Buchmesse“ in der Sendung „Extra 3“ fast genauso plump behandelt hat.) Wenn ich mir vorstelle, wie viel Spaß ein taiwanisches Fernsehteam mit meinen Chinesisch-Unkenntnissen haben könnte… und dabei spreche ich es höchstwahrscheinlich besser als Martin Sonneborn.

Ein Problem wäre es aber, sollte der Intendant eines öffentlich-rechtlichen Senders auf ein bisschen Druck hin einknicken und die „Gefühle des chinesischen Volkes“ vor die Solidarität zu seiner Redaktion stellen. So ein Kotau hinterlässt immer auch den Eindruck „Mit dem können wir’s ja machen.“ Was also wird passieren, sollte Chinas Regierung die Gefühle ihres Volkes das nächste Mal durch einen kritischen Bericht im „Auslandsjournal“ oder im „heute-journal“ verletzt sehen?

Die in Tibet geborene und in Deutschland lebende chinesische Dichterin Xu Pei findet die ZDF-Reaktion verhängnisvoll:

Warum scheut sich das ZDF gegenüber dem KP-Botschafter die demokratischen Grundwerte zu verteidigen? Dankbar bin ich als chinesische Exildichterin in Deutschland zu sein und habe die Bedeutung demokratischer Grundwerte zu schätzen gelernt. Mein Wunsch wäre es, dass sich Leistungsträger und Intellektuelle meines Gastlandes auch für diese Grundrechte in meinem Mutterland einsetzen würden.

Sie lobt aber auch den ZDF-Korrespondenten in Peking für seine kritischen Berichte.

Einige Hintergründe zum „Fall Sonneborn“ hat die Chefredakteurin des Deutsch-Chinesischen Kulturnetzes aufgeschrieben. Sie plädiert zwar für „politische Korrektheit“, was m.E. keine Lösung sein kann, macht sich aber auch zu Recht Sorgen angesichts der Aussage eines jungen chinesischen Journalisten:

„Meine Germanisten-Kollegen und ich, wir beobachten ständig die deutsche Presse, (…) aber wir können nicht unterscheiden, ob diese negativen Berichte nun eigentlich das chinesische System kritisieren, oder das chinesische Volk und seine Sitten und Gebräuche… (…)“
Leider zeigt das obige Zitat, wie schwer es ist, Missverständnisse tatsächlich auszuräumen, selbst bei Menschen, die durch Studium und Arbeitsumfeld eigentlich bestens in der Lage sein sollten, zu recherchieren, zu hinterfragen und sich eine Meinung zu bilden, die auf Fakten basiert.

* Nebenbei bemerkt: Man kann sich nicht für sich selbst entschuldigen.

(Nachtrag: Stefan Niggemeier hat sich im FAZ-Fernsehblog des Falls angenommen und in Mainz nachgefragt. Ergebnis: „Beim ZDF legt man Wert darauf, dass es sich bei dem Brief an den Botschafter nicht um eine Entschuldigung, sondern nur den Ausdruck des Bedauerns handele.“)

(Zum Thema „Chinas verletzte Gefühle“ hier noch ein schöner Text: „China’s feelings had been officially hurt at least 140 times by a minimum of 42 countries and several organizations since Mao Zedong’s bandits came to power in 1949.“)

Würde ich mal Herrn Ma interviewen, bräuchte ich kein Foto mehr.

Themenwechsel: Die Deutsche Welle hat ein Interview mit Taiwans Präsident Ma geführt. Es beginnt so:

Präsident Ma, seit Beginn ihrer Präsidentschaft haben sich die Beziehungen zwischen Taiwan und Festland-China enorm verbessert. Wie würden Sie die derzeitigen Beziehungen beschreiben?

Dann noch der Hinweis auf einen höchst vergnüglichen Blogeintrag des stets geschätzten Ludigel über „Wahre Vorurteile“ betr. Taiwan. Er weiß, wovon er schreibt, denn seine Frau ist Taiwanerin. Die meisten Punkte kann ich nachvollziehen, auch diese:

  • Wie sind die Taiwanesen, wenn man es auf den Punkt bringt?
    Nervös. Immer irgendwie aufgedreht und hyperaktiv.
  • Die schönste Stadt Taiwans?
    Gibt es nicht.
  • Die schönste Gegend Taiwans?
    Überall da, wo keine Taiwanesen sind. Ernsthaft, die lassen von der Schönheit der Natur nichts übrig. Müllkippe und graue heruntergekommende Betonklötze als Stichworte.

Dazu muss man wissen, dass Ludigel Taiwan mag. Wirklich. Er lebt allerdings lang genug hier, um auch die weniger schönen Seiten zu sehen. Und er hat den Mumm, sie beim Namen zu nennen. Das macht sein Blog so lesenswert.

Kollateralschäden: Kommt Taiwans Demokratie unter die Räder?

Und schließlich geht es auch im Tagesschau-Blog um Taiwan – wenn auch nur in den Kommentaren zu einem Beitrag über den Besuch von Wirtschaftsminister Brüderle in Peking. Ein Blick lohnt sich.

Facebook
Twitter
Email
Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

Comments

3 Antworten

  1. „Dazu muss man wissen, dass Ludigel Taiwan mag. Wirklich. Er lebt allerdings lang genug hier, um auch die weniger schönen Seiten zu sehen. Und er hat den Mumm, sie beim Namen zu nennen.“

    Ich glaube nicht, dass man in China oder Taiwan mehr Mut braucht, um Kritik zu ueben als in Deutschland. Ich lebe seit zehn Jahren in Shanghai, arbeite in dem Komitee unseres Wohnviertels und konnte erfahren, dass zumindest die Mitglieder dieses Komitees genauso selbstbewusst und kritisch diskutieren wie ich es aus Deutschland gewohnt bin. Der Unterschied: interne Kritik (also in China und unter Chinesen) ist etwas vollkommen anderes – weil sinnvoll und konstruktiv – als diese Pseudokritik an China im Ausland oder vor auslaendischer Presse. Denn die dort Kritik aeussernden Leute reden ja nur den Medien nach dem Mund, die sowieso nichts anderes hoeren wollen. Dabei ist derartige „Kritik“ nicht sehr hilfreich, denn beim Publikum handelt es sich um Menschen, die weder in China leben, noch China kennen und deswegen diese Kritik nicht richtig einordnen koennen und auch nicht benutzen koennen, um etwas zu verbessern. Deswegen aeussere ich meine Kritik normalerweise dort, wo sie gebraucht wird: in China. In Deutschland dagegen versuche ich eher zu vermitteln, denn die Deutschen kennen ja meistens eh nur die negativen Seiten.

  2. Pingback: F.A.Z.-Community

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Immer informiert über Taiwan auf Deutsch: Für meinen Newsletter anmelden

Immer informiert über Taiwan auf Deutsch:

Für meinen Newsletter anmelden