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Jetzt auch in Ihrem Privatfernsehen: Der deutsche Bäcker von Taipeh

Michael Wendel Bäcker Taiwan

Michael Wendel ist der wahre deutsche Kulturbotschafter in Taipeh. Mit seiner Bäckerei samt Restaurant und Biergarten ist er seit Jahren gut im Geschäft und versorgt längst nicht mehr nur Exil-Europäer mit deutschem Brot und Schweinshaxen.

Vor zwei Jahren hatte hier im Blog schon über ihn berichtet, und kurz darauf noch einmal. Doch erst jetzt scheint er es in der alten Heimat zu wahrer Berühmtheit gebracht zu haben, denn am Dienstag (7.8.2010) lief zur besten Sendezeit ein Bericht über ihn in der Kabel 1-Sendung „Mein neues Leben“. Das Team hatte ihn offenbar rund um Chinesisch Neujahr im Februar ein paar Tage mit der Kamera begleitet.

Das ist eines dieser Privat-TV-Auswanderer-Formate, das sich normalerweise über deutsche Familien lustig macht, die ohne Vorbereitung, dafür aber mit großen Illusionen in fremden Ländern scheitern und am Ende möglichst kleinlaut wieder den Heimweg antreten. Diese Gefahr bestand bei Wendel ja nun nicht, der ist seit mehr als zehn Jahren in Taiwan und hat sich gut etabliert.

Die Sendung steht hier online.

Klar hätte ich am liebsten selbst so eine Reportage mit Wendel gedreht, aber man muss auch gönnen können. Jedes bisschen Taiwan-Berichterstattung in den deutschen Medien ist gut, und die Kollegen daheim müssen ja auch ihre Miete bezahlen. Und Steuern. Und Sozialabgaben. Die Armen.

Nun weiß ich aus eigener Erfahrung ganz gut, wie für solche Formate im Privatfernsehen (und nicht nur dort) gearbeitet wird. Die schnöde Realität ist nicht fernsehtauglich, ohne einen gescheiten Spannungsbogen geht nichts über den Sender. Schon vor dem Dreh, währenddessen und spätestens im Schnitt muss dafür gesorgt werden, dass es Drama gibt, Zeitdruck und Konfliktpotenzial.

Das heißt in diesem Fall: Wendel wird ein Problem mit seinem taiwanischen Personal angedichtet, das er so in der Realität bestimmt nicht hat, sonst hätte er hier schon längst die Segel gestrichen. In der Reportage aber regt er sich in einer Tour auf über unvollständige Broccoli-Lieferungen, schlampig zubereitete Croissants und nicht aufgefüllte Regale. Das gipfelt in dem Satz „Sie würden es ja gerne besser machen, aber sie können es halt noch nicht“ (sinngemäß zitiert), von dem ich stark annehme, dass der Redakteur ihn Wendel beim Dreh in den Mund gelegt hat, oder ihn zumindest aufgefordert,  jetzt mal ordentlich vom Leder zu ziehen.

Bei einem Besuch auf dem traditionellen Markt darf auch der Satz „In Deutschland hätte das Gesundheitsamt hier schon längst alles zugemacht“ nicht fehlen, der bisher noch jedem Deutschen eingefallen ist und über den ich mich schon lange nur noch amüsieren kann.

Im weiteren Verlauf des Beitrags wird dann zum Glück ein positiveres Bild von Taiwan gezeichnet, und Wendel darf auch mal die Offenheit der Menschen loben, die ihm die Integration in Taipei so leicht machen. Außerdem lässt er sich ein rotes Jäckchen maßschneidern, und wir erfahren, dass er im kurzen Winter von Taipei sein Wohnzimmer mit einem Heizpilz warm hält. Da lohnt sich das Dranbleiben.

Wer nun mehr Wendel will (und angesichts der per Google hier gelandeten Besucher sind das nicht wenige), den interessieren vielleicht auch meine Zeitungsartikel (Rheinpfalz) und meine Radioberichte (SWR, RTI) über ihn.

Allen, die nun mehr über Taiwan erfahren möchten, gratuliere ich und wünsche fröhliches Stöbern hier im Blog sowie auf den verlinkten Seiten.

Was denken Sie, liebe Leser? Sind solche TV-Beiträge fürs Image von Taiwan hilfreich oder nicht? Sind Sie durch die Sendung erst auf Wendel und damit auf dieses Blog aufmerksam geworden, und was ist Ihr Eindruck?

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

Comments

10 Antworten

  1. schon erschreckend zu sehen, wie das privatfernsehen da so arbeitet. ich war oft bei michael einkaufen und essen. highlights dabei sicher das „oktoberfest“ 2006 :-)! Aber für die deutschen zuschauer muss das wohl einfach so dargestellt werden, damit dieses mythologische „die können nix, wenn mans ihnen net richtig zeigt“ über asien weiterhin besteht. hab den beitrag zusammen mit meiner (taiwanesischen) frau geschaut und danach direkt mal kontrolliert, ob sie unsre wäsche auch richtig aufhängt. haha

  2. „wir dürfen dieses Video in Deinem Land nicht zeigen.“ 🙁 Schade… trotzdem danke für den Bericht!
    Ansonsten muss ich mich Dennis anschließen – ist doch schon mal was, wenn Taiwan überhaupt in der Berichterstattung auftaucht. So erscheint das Land wenigstens auf der mentalen Landkarte des ein oder anderen, der sich dann später vielleicht mehr informiert – oder zumindest aufhorcht, wenn der Name genannt wird.

  3. Es gibt Menschen, die nach diesem Beitrag den Weg über Google hierher gefunden haben und sich nun besser über Taiwan informieren können. Ist doch gut. Ohne diesen Beitrag hätten sie es wohl nicht getan. Und Wendel wird sich aufgrund noch gesteigerter Bekanntheit fast schon sicher sein können, dass deutsche Touristen, soweit vorhanden, bei ihm vorbeischauen werden. Und Kabel 1 hat sein Programmformat erfüllt. Ist doch eine Win-Win-Win Situation, oder? 😉

    Ach so….das mit der Wahrheit oder Objektivität? Die Diskussion kennen wir doch alle. Für mich gilt, solange ich es nicht selbst erlebt oder gesehen habe, traue ich schon lange keinem ausländischen Bericht über Taiwan mehr.

    Und da ich schon einiges hier erlebt und gesehen habe, ist das mit dem Vertrauen schon längst nicht mehr so weit her.

    PS: Wie ist eigentlich Wendel an Kabel 1 geraten? Also hat Kabel 1 sich bei ihm gemeldet oder umgekehrt?

  4. Einerseits hilfreich, weil eben doch ab und zu etwas über Taiwan berichtet wird und es nicht ganz in Vergessenheit gerät, andererseits wird mir schon ganz anders wenn ich nur Ihre Zusammenfassung (Auszüge) aus dem Bericht lese (Drama/Konflikte)…

    Was Herrn Wendel angeht, so schien bei unserem letzten Besuch da alles in Ordnung.
    Wenn es sich ergibt, werden wir bestimmt wieder sein Restaurant/Shop aufsuchen.

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