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Warum ich Taiwan jetzt nicht wegen Japan verlasse…


…und warum ich mir viel mehr Sorgen um Taiwans eigene Atomkraftwerke mache.

Nachtrag, 17.3.: Selbst in einem absoluten Worst-Case-Szenario bliebe die Strahlenbelastung für Taiwan begrenzt, sagt der zuständige Minister. (Taipei Times, China Post)

Nachtrag, 20.3.: Eine vorbildliche Grafik, die Strahlungswerte in ein vernünftiges Verhältnis setzt. („3 Millisievert, wie viel ist das?“)

Nachtrag, 21.3.: Wie wissenschaftliche Fakten in Nachrichtensendern verdreht und zugespitzt werden – ein fiktiver, aber nicht unwahrer Dialog.

Nachtrag, 4.4.: Am Abend des 6.4. könnte Strahlung aus Japan auch Taiwan erreichen: „Radioactivity at 0.0638 sieverts per hour, much lower than the 0.2-sievert alarm level, is expected. (…) Taiwan is one of the last places in the northern hemisphere to be affected by the nuclear fallout after a first wave of radioactive particles propelled by western winds hit Canada, Iceland, the United States, Finland, Russia, South Korea, Hong Kong, Vietnam, the Philippines and Tibet.

Nachtrag, 6.4.: „Das Deutsche Institut weist darauf hin, dass derzeit durch die Ereignisse im Atomkraftwerk Fukushima/Japan keinerlei Gefährdung für Taiwan besteht. Das Deutsche Institut empfiehlt Ihnen, regelmäßig seine Webseite und die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts für Taiwan einzusehen. Änderungen der Gefährdungslage werden dort umgehend veröffentlicht.“

In den letzten Tagen haben mich einige Mails von Bekannten und Noch-nicht-Bekannten erreicht, die sich fragen, wie sicher Taiwan angesichts der Katastrophen in Japan gerade ist. Einige erwägen abzureisen, andere wollen einen geplanten Besuch vielleicht absagen.

Nun bin ich weder Wahrsager noch Nuklearexperte und kann auch nur für mich sprechen. Momentan (15.3. Abends) sehe ich keinen Grund, Taiwan zu verlassen. Jedenfalls nicht wegen Japan.

Warum?

Von Taipeh zu den Meilern von Fukushima sind es mehr als 2200 Kilometer.

Von Tschnernobyl nach Berlin sind es weniger als 1200 Kilometer.

Ohne generell die Gefahr überhöhter Strahlenbelastung verharmlosen zu wollen: Ich kann mich nicht erinnern, dass es 1986 eine Fluchtbewegung aus Deutschland gegeben hat. Und ich wüsste nicht, dass jemand in Deutschland es bereut, damals nicht das Weite gesucht zu haben.

Ob in Japan nun mehr oder weniger Strahlung freigesetzt wird als in Tschernobyl, ist völlig offen. Experten und Wissenschaftler sind uneins, Atomlobby und Politik verharmlosen, viele Medien überbieten sich mit reißerischen Schlagzeilen. Der Guardian versucht löblicherweise wenigstens, Strahlungswerte ins Verhältnis zu setzen.

Die Folgen für die Menschen in der Umgebung von Fukushima sind mit Sicherheit verheerend, und ich würde auch nicht unbedingt in Tokio bleiben. Aber Taiwan liegt wirklich sehr weit entfernt. Ob wir hier eine geballte Dosis abbekommen können?

Bislang ist der Wind in Fukushima meist nicht in unsere Richtung geweht. Natürlich kann sich das ständig ändern. Aktuelle Strahlungswerte für Taiwan kann man jedenfalls hier abrufen.

Das Deutsche Institut (Quasi-Botschaft) in Taipeh meldete heute Nachmittag:

Nach jetzigem Kenntnisstand ist außerhalb der unmittelbar vom Erdbeben und dem Tsunami betroffenen Region im Nordosten Japans, in der auch die betroffenen Kernkraftwerke liegen, keine akute, konkrete, unmittelbare Gefährdung von Menschen in der erweiterten Region (Nachbarländer) erkennbar.

Ein landesspezifischer Sicherheitshinweis für Taiwan besteht derzeit nicht. (Stand: 15.03.2011, 14.00 Uhr)

Bite beachten Sie hierzu die tagesaktuellen Reise- und Sicherheitshinweise zu Taiwan auf der Homepage des Auswärtigen Amts sowie im Hinblick auf allgemeine Nuklearfragen die aktuellen Informationen auf der Webseite des BMU (Bundesumweltministerium).

Für weitere Fragen auf der Grundlage o.g. Informationen stehen wir Ihnen gerne unter folgenden Telefonnummern und E-Mail-Anschriften zur Verfügung:

Tel.: +886-(0)2-2501-6188 ext. 200

Fax: +886-(0)2-2501-6139

außerhalb der Dienststunden in Notfällen: 0933-154-031 (Bereitschaftsdienst)

E-Mail: info(at)taip.diplo.de

www.taipei.diplo.de

"Willst Du das immer noch?" - Atomkraftgegner in Taipeh.

Größere Sorgen als über die Nachwirkungen der Katastrophe in Japan sollte man sich in Taiwan wohl darüber machen, was noch nicht eingetreten ist: Ein vergleichbares Szenario hier. Ein extrem starkes Erdbeben oder ein Tsunami an den Standorten der hiesigen Kernkraftwerke. Über das Thema hatte ich ja neulich schon mehr geschrieben (mit Links).

In Taiwan bebt die Erde fast ebenso häufig wie in Japan. Mehr als 1000 fühlbare Beben registriert das zuständige Central Weather Bureau pro Jahr.

Die Atomkraftwerke in Taiwan halten nach Angaben des Betreibers Taipower einen direkten Treffer durch Erdbeben der Stärke 7 aus. Das ist hundermal schwächer als das Beben in Japan, das 9,0 erreichte. Das 921-Erdbeben, bei dem 1999 in Taiwan mehr als 2400 Menschen umkamen, hatte die Stärke 7,3. Damals lag das Epizentrum in der Mitte Taiwans und damit so weit von den AKWs entfernt wie nur möglich.

Kein Wunder, dass Taiwans Atomkraft-Gegner ein Umdenken und den Baustopp des vierten AKW fordern, und ihren Forderungen auf einer Demo morgen (Mittwoch) Nachdruck verleihen wollen. Und es werden sicher noch einige folgen.

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

Comments

15 Antworten

  1. Die deutschen Medien bedienen den Markt, auf dem sie sich verkaufen müssen, und ich glaube, viele deutschen Nachrichtenkonsumenten regen sich immer wieder gerne auf. Medial gesehen ist Deutschland, verglichen mit unseren britischen Nachbarn, ein Entwicklungsland, und noch dazu ein ziemlich nervensägendes.

    Und damit meine ich nur den „Premiumbereich“, sprich: die öffentlich-rechtlichen Sender.
    Ein kleiner Lichtblick ist die Süddeutsche Zeitung.

  2. Hallo Klaus.

    Ich hab einen Flug mit China Air nach Taiwan geplant. Diese Gesellschaft fliegt natürlich auch Japan an. Gibt es Informationen darüber ob es zu radioaktiver Kontamination bei Flugzeugen gekommen ist?

    Grüße Thomas

    1. Nein, darüber habe ich nichts gehört. Da auch Passagiere nach der Landung auf Strahlenbelastung gemessen werden, würde es mich wundern, wenn niemand an Flugzeuge gedacht hat. Die Frage ist auch, wieviel Strahlung würde überhaupt ins Innere eines Fliegers gelangen?

  3. Nach dem Lesen von Nachrichtenforen und auch dieses Beitrags mache ich zur Zeit um etwas ganz anderes Sorgen. Ich habe den Eindruck, dass in den deutschen Medien gezielt Ängste geschürt werden, Ängste die natürlich bei vielen Menschen mit den Ereignissen von 1986 in Verbindung stehen, denn anders kann ich mir viele vollkommen irrationale Kommentare nicht erklären. Natürlich ist die Situation besorgniserregend und kann sich mit jedem weiteren Tag dramatisch ändern, aber eine echte Gefahr besteht zur Zeit einfach nicht. Es ist erschreckend, welche Diskrepanz in der Bewertung der Situation zwischen direkt (Japan) und indirekt (Umland) betroffenen Deutschen und den Menschen in Deutschland herrscht. Da die allermeisten wohl nicht über direkte Kontakte nach Japan und Asien verfügen, führe ich dies auf eine bewusst Angstverstärkende Berichterstattung in den deutschen Medien zurück.

  4. Danke! Ich bin gerade für mein Auslandssemester in Taipeh und beobachte das Geschehen natürlich auch. Mittlerweile macht sich unter den internationalen Studenten regelrecht Panik breit, Kommilitonen einer Freundin in Shanghai (!!) sind sogar schon nach Hause geflogen.

    Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass im schlimmsten aller Fälle auch Strahlung Taiwan erreicht, aber derartige Reaktionen halte ich zu diesem Zeitpunkt noch vollkommen übertrieben, aus den gleichen von dir genannten Gründen.

    Ich hoffe, das Japan nicht noch schwerer getroffen wird…

    Liebe Grüße!

  5. Hallo Klaus,
    meine Eltern haben 1986 nicht das Land verlassen weil es keine Informationen gab. Las die ersten konkreten Hinweise auf eine Verseuchung kamen war es schon zu spät. Meine Eltern wohnen in Kassel, also noch mal etwas weiter weg von Berlin. Auf jeden Fall ist damals meine Schildkröte und meine Hasen die im Garten waren und das Grass gefressen hatten zwei Wochen später blutspuckend beim Tierarzt eingeschläfert worden. Im Ort musste alles Gras gemäht und das Gemüse entfernt werden. Alles wurde von Sondermüllfahrzeugen und Männern in Schutzanzügen abgeholt. Gesund war das für die Menschen sicher nicht. Will sagen … weit weg bedeutet nicht sicher. Klar ist die Situation momentan noch eine andere. Es gab keinen Brand der die Teilchen hoch hinaus geschleudert hat und somit einen Transport über tausende Kilometer ermöglicht. Hoffen wir das es dabei bleibt. Passt auf euch auf. Gruß aus Stadthagen Jörg

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