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Eine Kathedrale der Natur: Taiwans Taroko-Schlucht

Eine Folge aus meiner Taiwan-Kolumne im heimatlichen Anzeigenblatt.

„Ganz schön verbaut hier!“ Das war mein allererster Eindruck von Taiwan, als ich vor bald vier Jahren landete. Überall Wohnhäuser, Straßen, Brücken und rund um Taipeh Satellitenstädte, die fließend ineinander übergehen. Menschenleere Landschaft wie in meiner norddeutschen Heimat, über die man einfach mal den Blick schweifen lassen kann, gibt es hier wohl nicht – dachte ich. Doch da hatte ich mich getäuscht.

Taiwan ist wirklich ein Land der Extreme. Kleiner als Niedersachsen, hat es etwa dreimal so viele Einwohner. Die drängeln sich zum allergrößten Teil in der westlichen Küstenebene, wo auch die Hauptstadt Taipeh liegt. Zwei Drittel der Insel aber sind kaum besiedelt, denn da ragt von der Nord- bis zur Südspitze ein Gebirge auf, vor dem die deutschen Alpen nur als Hügelkette durchgehen würden. Weil Taiwan an einer Plattengrenze liegt, haben sich hier die höchsten Berge Asiens östlich des Himalaya aufgetürmt, mit mehr als 200 Gipfeln über 3000 Meter. Der höchste überragt mit 3952 Metern noch den Fujiyama in Japan, heißt Jadeberg, und jeder Taiwaner hat sich fest vorgenommen, ihn einmal im Leben zu erklimmen. Da steht mir noch was bevor.

Bequemer zu erreichen ist eines von Taiwans spektakulärsten Naturwundern an der Nordostküste: Die Taroko-Schlucht. Wo ein Fluss über Jahrmillionen sein Bett gegraben hat, windet sich hier eine schmale Straße 20 Kilometer lang zwischen Marmor-Felswänden hindurch, die zu beiden Seiten hunderte Meter senkrecht in die Höhe steigen. Ein atemberaubener Anblick, vor dem jede Weitwinkel-Kamera versagt. Steinige Wanderwege führen in Seitentäler, Hängebrücken überspannen Abgründe, Wasserfälle stürzen in die Tiefe. Manche Wege sind gesperrt, weil die Natur sich durch Erdrutsche und Steinschläge zurückholt, was der Mensch ihr abgerungen hat.

Ursprünglich gab es hier keine Touristen, sondern nur Eingeborenenstämme, die auf uralten Trampelpfaden zur Jagd gingen oder von Dorf zu Dorf zogen. Manchmal kombinierten sie beides, denn Taiwans Ureinwohner waren berüchtigte Kopfjäger, wovon auch die frühen chinesischen Siedler sie nicht abbringen konnten. Erst die japanischen Kolonialherren bauten Anfang des 20. Jahrhunderts Straßen in die Berge, um die Stämme unter Kontrolle zu bringen.

Nachdem 1949 die nationalchinesische Armee nach Taiwan geflüchtet war und zehntausende Soldaten beschäftigt werden mussten, ließ die Regierung sie die jetzige Straße ins Bergmassiv schlagen. Hoch an einer Felswand erinnert der „Schrein des ewigen Frühlings“ an hunderte Arbeiter, die bei den waghalsigen Sprengarbeiten ums Leben kamen.

Taiwans Ureinwohner jagen heute höchstens noch Wildschweine. Wie in Amerika oder Australien haben viele sich unter Aufgabe ihrer Traditionen in die moderne Gesellschaft integriert. Andere versuchen, in ihren angestammten Gebieten ihre Geschicke möglichst selbst zu bestimmen – so sehr im Einklang mit der Natur, wie es heute noch möglich ist. In der Taroko-Schlucht verkaufen sie Schnitzereien an Touristen, und Kinder führen abends im Hotel traditionelle Tänze und Kostüme vor – ein Projekt, um benachteiligten Familien zu helfen und um daran zu erinnern, dass Taiwans ursprüngliche Bewohner keine Chinesen sind.


 

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

Comments

3 Antworten

  1. Ist OT aber schreib doch mal was ueber die neue Stellenausschreibung beim Deutschen Institut. Dort wird jemand mit Hochschulabschluss, flissenden Kentnissen in Deutsch, Englisch und Chinesisch gesucht. Der jenige sollte schon ueber eine Arbeitserlaubnis verfuegen und wird nach Taiwanesischen Sklavenaehnlichen Verhaeltnissen angestellt. Ach ja und jetzt ziehen die ja auch Steuerkosten ins 101 wo die Mieten wahrscheinlich 3 mal so hoch sind 😉

      1. Waere vielleicht was fuer Leute mit APRC die sich von “ortsüblichen taiwanischen Bedingungen” nicht abschrecken lassen.

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