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Ein etwas überraschungsfreies deutsches Taiwan-Spezial

Reichstag Berlin

Dass in Deutschland mal ganz ausführliche Texte über Taiwan erscheinen, ist ja eher selten. Zum Beginn der zweiten Amtszeit von Präsident Ma Ying-jeou hat kürzlich das „Diplomatische Magazin“ (von dem ich zuvor noch nie gehört hatte) ein Taiwan-Spezial veröffentlicht. Dahinter stecken offenbar Bemühungen des Parlamentarischen Freundeskreises Berlin-Taipeh, in dem sich Bundestagsabgeordnete zusammengefunden haben, die sich für Taiwan interessieren. Mit dem Vorsitzenden Klaus-Peter Willsch hatte ich bei dessen letztem Taiwanbesuch dieses Audio-Interview geführt.

Ganz interessant: Die Texte sind (mit einer Ausnahme, mehr dazu unten) auch in englischer Übersetzung erschienen.

Und was steht nun drin?

Editorial (englisch)

Der Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch stellt kurz die Arbeit des Freundeskreises vor uns nennt als Erfolge die visafreie Einreise von Taiwanern in den Schengenraum sowie das Doppelbesteuerungsabkommen (das hoffentlich bald offiziell in Kraft tritt).

Taiwan ist eine gefestigte Demokratie, was in der Region keine Selbstverständlichkeit ist. Viele Kollegen bedauern es daher, dass Taiwan trotz der florierenden Wirtschaftsbeziehungen politisch „links liegen gelassen wird“ (…) Die Ein-China-Politik setzt uns einen engen Rahmen, der auch von Seiten Taiwans respektiert wird. Wir Mitglieder des Freundeskreises arbeiten daran, dass innerhalb dieses Rahmens bestehende Hürden ab- und nicht weitere aufgebaut werden.

Seit 2010 Vorsitzender des Freundeskreises Berlin-Taipeh: Klaus-Peter Willsch MdB (Quelle: CDU)

Interview mit Taiwans Repräsentanten in Deutschland (englisch)

Wei Wu-lien ist Taiwans Botschafter in Berlin, darf sich aber nicht so nennen. In dem wenig aufregenden Interview darf er viele Standpunkte der Regierung wiedergeben. Recht interessant die Zusammenfassung der taiwanischen Hilfsleistungen für Länder der dritten Welt.

Genauer hinschauen sollte man bei diesem Absatz:

Sozial Benachteiligte und sozial schwache Familien erhalten in Taiwan finanzielle Unterstützung. (…) (Die Regierung) führte eine Luxussteuer ein und plant die Einführung einer Vermögenssteuer mit dem Ziel, die Schere zwischen Arm und Reich weiter zu schließen.

Diese „Luxussteuer“ besteht im wesentlichen in der Einführung einer einjährigen Spekulationsfrist für Immobilien (die in Deutschland seit eh und jeh zehn Jahre beträgt). Eine „Vermögenssteuer“ war in Taiwan nie im Gespräch, wohl aber eine Kapitalertragssteuer. Der Gesetzentwurf ist nun von Investoren und Lobbyisten vorab so verstümmelt worden, dass sogar die zuständige Finanzministerin ihren Hut genommen hat.

Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen (englisch)

Ein Text von Hans-Joachim Otto (FDP), parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Damit ist Otto (Homepage) vielleicht der hochrangigste unter den deutschen Politikern, die sich immer wieder mal in Taiwan sehen lassen. Im September 2011 war er zum vierten Mal hier (Pressemitteilung PDF).

Die Aussichten für die Zukunft sind gut. Denn Taiwan setzt konsequent auf Innovation auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie auf neue Technologien wie Umwelttechnologie, Biotechnologie und Nanotechnologie. Das sind Felder, bei denen ich viele Berührungspunkte zur deutschen Wirtschaft sehe.

Interessenvertreter und kompetenter Anprechpartner (englisch)

Eine Selbstdarstellung des Deutschen Wirtschaftsbüros Taipei, das zum Netz der Deutschen Außenhandelskammern gehört. Die Kollegen dort geben u.a. einen informativen Newsletter heraus.

Time for Taiwan

Taiwans Tourismusbüro in Frankfurt wird sich schon etwas gedacht haben bei der englischen Überschrift. Eine kurze Beschreibung Taiwans aus touristischer Sicht.

Die Insel bietet sich auch für Individualreisen, kulturelle Rundreisen und geführte Trekkingtouren an. Von fernöstlichem Flair, über subtropische Natur mit Gebirgen, zerklüfteten Küsten, tiefliegenden Ebenen und magischen Koralleninseln ist alles geboten, was das Urlauberherz begehrt.

Die „tiefliegenden Ebenen“ sind aus touristischer Sicht wohl vor allem attraktiv, wenn man sie mit dem Hochgeschwindigkeitszug durchquert. Oder habe da etwas verpasst?

Dieser Text wurde in der englischen Version ersetzt durch „Why Taiwan’s Future Matters“ von Su Chi (蘇起). Der nicht unumstrittene frühere Generalsekretär des National Security Council schafft es, einerseits durchgängig von „Taiwan“ statt von der „Republic of China“ zu schreiben, andererseits aber zu mahnen:

(…) some in Taiwan are not yet convinced that a push for independence would be misguided. However, such a move would court disaster, incur disfavor with the international community, and seriously undermine Taiwan’s newfound attraction to many Chinese people as a democratic model.

Das ist natürlich ziemlich widersprüchlich und lässt die Frage offen: Von wem oder was sollte „Taiwan“ sich überhaupt unabhängig erklären? Interessant auch dieser Absatz:

Long locked in indignant isolation but enormously proud of their democratic achievements, Taiwan’s people must now accept that democracy endows them with greater responsibility for regional stability.  They could start by playing a more constructive role in the evolving American-Chinese relationship by becoming an interlocutor on issues that affect all three parties, like disputes over the South China Sea.

Im Klartext heißt das: Taiwaner sollten sich damit abfinden, dass sie immer nur ein Spielball zwischen China und den USA sein werden, und keine diplomatischen Wellen schlagen. Ob die USA sich z.B. in der Frage des südchinesischen Meers wirklich freuen würden, wenn Taiwan die chinesische Position auch nur ansatzweise unterstützt, ist eine weitere interessante Frage.

Aber das führt nun alles ein bisschen weit weg von diesem deutschsprachigen Taiwan-Special. In jedem Fall schön, dass es vielleicht bei einigen Lesern, die vor allem im Berliner Polit-Betrieb und an Universitäten verortet sein dürften, ein wenig Interesse an Taiwan geweckt hat.

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

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