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Deutsche Gräber auf dem alten Ausländer-Friedhof von Taipeh

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Leben und sterben in Taiwan

Auf einem verwunschenen Friedhof in Tamsui (Danshui) haben etwa 80 westliche Ausländer ihre letzte Ruhestätte gefunden. Auch Deutsche liegen hier begraben. Die Geschichten dieser Menschen würde ich gern erfahren.

Es ist ein Ort, wie es ihn auf Taiwan wohl kein zweites Mal gibt. Ein Stück Europa, das hier irgendwie deplatziert ist und gerade deshalb zum Nachdenken anregt.

Die meisten Gräber sind mindestens 50 Jahre als. Einige sind sogar älter als 120 Jahre. Ich bin mir sicher: Hinter jedem Namen auf diesen Grabsteinen steckt eine Geschichte, die es wert wäre, erzählt zu werden.

Wieso sind diese Menschen nach Taiwan gekommen, was haben sie hier erlebt, und wie ging ihr Leben hier zuende? War es Ihr Wunsch, auf Taiwan beerdigt zu werden? Erinnert sich noch jemand an sie?

Zumindest über die Deutschen, die hier bestattet sind, würde ich gern ein bisschen mehr erfahren. Ich liste deswegen unten zunächst alle deutschen Gräber auf, die ich an diesem Nachmittag entdeckt habe.

Vielleicht fällt ja jemandem ein, wie man mehr herausfinden könnte?

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Ein Friedhof für Ausländer in Taiwan

Der Ausländer-Friedhof wurde Ende des 19. Jahrhunderts angelegt. Damals war Tamsui einer der Häfen, die China nach der Niederlage im ersten Opiumkrieg für den Westen öffnen musste. Es kamen Missionare, Händler und offizielle Gesandte. In den Hügeln über Tamsui, wo es kühl war und sie den Hafen übersehen konnten, bauten sie ihre Residenzen im Kolonialstil.

Der Friedhof liegt recht versteckt in der Ecke eines Schul-Campus. Die Tamkang High School (淡江高中) mit ihren historischen Ziegelbauten und einem berühmten achteckigen Turm ist selbst schon einen Ausflug wert. Die Gründung der Schule geht (wie so einiges in Nordtaiwan) zurück auf den kanadischen Missionar George Mackay, der 1872 nach Taiwan kam.

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Wie kommt man dort hin? Am einfachsten geht es von der MRT-Station Tamsui immer am Wasser entlang bis zum berühmten Fort San Domingo (紅毛城). Dort rechts den Hügel hinauf zur Aletheia University (ebenfalls von Mackay gegründet) und der Zhenli St. (真理街).

Es ist wohl eine gute Idee, am Wochenende zu kommen. So stört man den Schulbetrieb nicht zu und kann überall ungestört umherschlendern. Irgendwo hatte ich gelesen, man müsse sich beim Pförtner eintragen, aber ich konnte einfach durchs Tor auf dem Campus spazieren.

Der Friedhof befindet sich vom Tor aus ganz hinten rechts. Zunächst erreicht man den Familienfriedhof der Mackays. Der eigentliche Ausländerfriedhof liegt, abgetrennt durch eine niedrige Mauer, direkt dahinter.

Dies sind die deutschen Gräber von Tamsui, beginnend mit dem ältesten:

Johann Korsholm (1854 – 1888)

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Dieser Seemann, ertrunken mit 34, war streng genommen wohl ein Däne. Als er 10 Jahre alt war, wurde seine Heimatstadt Flensburg preußisch.

Sacred to the Memory of Johann Korsholm
Mate of the S.S. „Wai Ting“
Born at Flensburg 8th September 1954
Drowned at Tamsui Bar 15th October 1888
This stone is erected by the captain and officers of the steamer „Fee Cheu“

 

Leutnant Max E. Hecht (1853 – 1892)

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War er der erste deutsche Ingenieur, den es nach Taiwan verschlagen hat? Max Hecht kam um das Jahr 1885 im Auftrag der kaiserlichen chinesischen Regierung nach Taiwan. Beim Bau des Fort Huwei (Hobe), nicht weit von seinem Grab gelegen, beaufsichtigte er die Installation der Geschütze und bildete die Besatzung aus.

Mit 39 Jahren starb Leutnant Hecht 1892. Das Fort Huwei war nie in Gefechte verwickelt und kann, gut erhalten, noch heute besichtigt werden.

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In Memoriam Lieut. Max E. Hecht
Who died in Tamshui on the 19th August, 1892, in his 39th Year.
Ruhe seiner Asche.

 

Interessant: Unmittelbar vor dieser Grabstelle steht ein weiterer Grabstein mit Hechts Namen. Die chinesische Inschrift besagt, dass Chinas Regierung Hecht einen Orden verliehen hatte.

Warum es zwei Gräber gibt, ist mir ein Rätsel. Hoffen wir, dass es kein besonders schlimmer Unfall war, der sein Leben beendete.

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Rosa Kocher (1894 – 1955)

Hans Wallmüller (1886 – 1956)

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Ein Zeitsprung ins 20. Jahrhundert. Viele christliche Missionare kamen nach 1949 gemeinsam mit der nationalchinesischen Regierung nach Taiwan, als ihre Arbeit in China unmöglich wurde.

Rosa Kocher und Hans Wallmüller waren offenbar zwei von ihnen.

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Gott ist Liebe

Rosa Kocher
Missionarin
7.7.1894 – 12.11.1955

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Gott ist gerecht
Sein ganzes Leben war Mühe & Arbeit

Hier ruht in Gott unser herzliebster Onkel
Dr. Hans Wallmueller
geb. 21. März 1886 in München
gestb. 3. Juni 1956 in Taiwan

 

Walter Günther (1901 – 1956)

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Walter Günther heiratete offenbar eine Einheimische. Das war damals bestimmt weniger üblich als heute. Ob sie eine Chinesin war, und beide gingen später gemeinsam mit ihren Kindern nach Taiwan? Oder haben sie sich erst nach 1949 in Taiwan kennen gelernt, und er hat sie im fortgeschrittenen Alter geheiratet?

Walter Günther
Feb 1. 1901 – Dec 11. 1956
Survived by
Wife Augusta Chao
Son Bernhard Karl
Son Herbert Chao

 

Erich Jacob (1910 – 1962)

Henrietta A. Tielemann (1897 – 1962)

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Diese beiden Missionare gehörten wohl zur gleichen Glaubensgemeinschaft. Sie starben auch im selben Jahr.

R.I.P.
In Memory of Erich Jacob
Born Germany 1910
Died Taipei 1962
A Friend to China

 

In Loving Memory of
Dear Co-Worker Henrietta A. Tieleman
Sept. 9. 1897 – Feb. 27. 1962
Until the Resurrection
She Gave her Life for China

 

Auch wenn die Menschen, die hier liegen, in Taiwan vielleicht keine Familie mehr haben, sind sie nicht ganz vergessen. Die Canadian Chamber of Commerce kümmert sich um den Ausländer-Friedhof. Jedes Jahr am Tomb Sweeping Day kann man sich einer Gruppe anschließen, die den Friedhof säubert und die Gräber pflegt. Das finde ich gut. Mehr Informationen, auch zur Geschichte des Friedhofs, hier.

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

Comments

4 Antworten

  1. Wir konnten auch ohne Pförtner auf das Gelände. Den Friedhof hab ich aber übersehen.

    „Gott ist gerecht –Sein ganzes Leben war Mühe & Arbeit“…wie zynisch Christen sein können.

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