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Verhätschelt und vernichtet: Hunde in Taiwan im „Weltspiegel“ (ARD)

ARD Hunde Thumbnail

Auf die einen wartet der Friseur, auf die anderen die Todesspritze

Nicht etwa Lebensmittelskandale sind es, mit denen Taiwan seinen guten Ruf riskiert. Wenn die Behörden sich wirklich ums Image ihres Landes sorgen, sollten sie auch beim Tierschutz mehr tun. Ein neuer ARD-Bericht darüber, wie Hunde in Taiwan oft behandelt werden, zeigt jedenfalls einige unangenehme Wahrheiten.

ARD Weltspiegel Schoßhunde in Taiwan

Gepanschtes Speiseöl ist derzeit das größte Thema in Taiwans Medien. Einer der Gründe: Wenn skrupellose Geschäftsleute die Sicherheit von Taiwans Lebensmitteln in Frage stellen, schädigten sie damit den Ruf des ganzen Landes, heißt es. Gesichtsverlust im Ausland will Taiwan aber unbedingt vermeiden.

Eigentlich interessiert sich in Deutschland aber kaum jemand für Taiwans Lebensmittelskandale. Es sind andere Themen, mit denen Taiwan riskiert, in ein negatives Licht gestellt zu werden: Tier- und Umweltschutz zum Beispiel.

In den vergangenen Monaten habe ich der ARD geholfen, mehrere Beiträge in Taiwan zu drehen, die im Weltspiegel gelaufen sind – dem renommiertesten Auslandsmagazin im deutschen Fernsehen. Einmal ging es um Haifischflossen. Und nun um Hunde.

Ein Thema, zwei Aspekte

In dem neuesten Weltspiegel-Stück geht es eigentlich um zwei Probleme, die miteinander zusammenhängen:

  • Züchter und Tierhandlungen bedienen mit fragwürdigen Methoden den Bedarf nach niedlichen Schoßhunden.
  • In Taiwans Tierheimen werden täglich hunderte Tiere eingeschläfert, die ausgesetzt oder aufgegeben wurden und nicht mehr vermittelbar sind.

(Video in der ARD-Mediathek, auch zum Download / Infos zum Nachlesen)

Klein, niedlich, tragbar: Taiwans Sehnsucht nach Schoßhunden

Zumindest hier in Taipeh ist es auffällig: Viele Taiwaner wollen möglichst kleine, niedliche Hündchen, die sich auch mal in der Tasche oder im Kinderwagen transportieren lassen.

Ich persönlich bin immer mit Hunden aufgewachsen und mag sie lieber im etwas größerem Format. Kleine Hunde sind mir oft zu hysterisch. Aber will das nicht pauschal schlechtreden. Der Platz ist knapp in Taiwans Städten und Wohnungen, und jeder hat das Recht auf einen passenden Gefährten.

Lesetipp: Verhätschelt oder verwildert – Hundeleben in Taiwan

Und wenn er oder sie den Hund dann vermenschlicht, ihm Kleider anzieht und Schleifchen ins Fell flechtet – ich verstehe es nicht, aber das muss ich ja auch gar nicht. Hauptsache, der Mensch behandelt den Hund anständig, und beide sind glücklich.

Schoßhund in Taiwan

Hunde als Schaufensterware

Wenn ich dann aber sehe, wie diese Hunde verkauft werden, ist mir das nicht mehr egal. Es kann doch niemand für artgerecht halten, Welpen in mehrstöckigen Drahtkäfigen ins Schaufenster zu stellen.

Hunde Tierhandlung Schaufenster Taiwan

Und doch, so werden sie präsentiert. Knuddelige, flauschige Impulskaufware zum Nase-plattdrücken und Scheiben-klopfen.

Sicher spielt dabei auch der „Erlöse mich!“-Aspekt eine Rolle. Wer wollte nicht einem kleinen Hund ein besseres Leben bieten, als er es in so einem Käfig hat?

Das Probem beginnt bei der Zucht

Aber natürlich löst man mit dem Kauf dieser Hunde kein Problem, man befeuert es nur weiter. Züchter und Tierhandlungen sorgen fleißig für Nachschub. Und was passiert mit den Welpen, die nicht schnell genug abgesetzt werden und nicht mehr klein und niedlich sind? Man verkaufe sie halt mit Abschlag, erzählte uns eine Händlerin im Interview. Ob das immer klappt?

Den Anstoß für diesen Weltspiegel-Beitrag gaben Recherchen der taiwanischen Tierschutz-Organisation EAST, mit der wir auch schon beim Bericht über die Haiflossen zusammengearbeitet hatten. Sie hatte Material zugespielt bekommen, das mit versteckter Kamera bei Hundezüchtern gedreht wurde. Ausschnitte davon sind auch im ARD-Stück zu sehen. (Video)

Da sieht man, unter welch elenden Bedingungen einige Züchter ihre Ware produzieren. Hündinnen der begehrten Rassen müssen wieder und wieder werfen, es gibt Inzucht, Dreck, Misshandlungen, Vernachlässigung. Hauptsache, die Gewinnspanne stimmt.

Dieses System ist es, das Taiwans Kunden am Leben erhalten, wenn sie ihre Rassehündchen in den üblichen Tierhandlungen kaufen.

Image-Schaden für Taiwan in Deutschland

Noch bin ich gar nicht auf den zweiten Teil des Beitrags zu sprechen gekommen, in dem es um das massenhafte Töten von Hunden in Tierheimen geht. Aber werfen wir zunächst kurz einen Blick darauf, wie der Weltspiegel-Bericht in Deutschland aufgenommen wurde.

„Welcher Beitrag hat Sie am meisten bewegt?“ fragte die Redaktion nach der Sendung auf Facebook. „Taiwan“ wurde häufig genannt. Mit solchen Kommentaren:

„Ich finde die Perversion der Hundezucht unerträglich.“ „Absolut verachtenswert!“ „Schwer aushaltbar.“ „So schrecklich.“ „Bei Taiwan hat es mir fast den Magen umgedreht.““Leider gibt es in diesen Ländern Menschen, die diese Bezeichnung nicht verdienen.“

Soviel zum Thema „Gesichtsverlust“. Mit tut es selbst ein bisschen weh, dass ich dazu beitrage, unschöne Seiten meiner Wahlheimat Taiwan ins Bewusstsein deutscher Zuschauer zu rücken, aber was hilft es? Man kann ja nicht nur über Bubble Tea, schöne Berge und bunte Tempel berichten.

Klar, die meisten Zuschauer, die sich so äußern, kennen Taiwan eigentlich überhaupt nicht und schießen mit solchen Pauschalurteilen übers Ziel hinaus. Aber geht einem das nicht ständig so, wenn man in den Medien Berichte aus Ländern liest, in denen man nie war? Man formt sich sein Bild aus der Berichterstattung, und dass es nur Teile der Realität wiederspiegelt, ist einem nicht bewusst.

In einem Hundehalter-Forum habe ich diese differenzierte Reaktion auf den Beitrag gefunden:

Ich habe einen guten Freund der zur Zeit in Taiwan studiert da habe ich schon einiges darüber mitbekommen. Wenn der Hund nicht mehr süß genug ist, genügend Likes für seine Fotos auf Instagram zu produzieren, holt man sich halt einen neuen – die schreckliche Wahrheit.

Ich möchte gar nicht verallgemeinern, es gibt allerdings sehr viele Asiaten, die so drauf sind – leider. Zu wenig Aufklärung und zu wenig Wissen über das Tier Hund. Die meisten wären mit einem Plüschtier sehr viel besser bedient.

Ich habe hier auch mit einigen Taiwanesen gesprochen und so gut wie jedes Mädel in meinem Alter hätte gerne einen Hund. Wenn man da fragt, was für einen, kommen i.d.R. die gleichen Antworten: Mops, Zwergspitz, Franz. Bulldogge, Chihuahua…

Totspritzen im Tierheim

Und damit kommen wir zum zweiten Teil des Beitrags, der mir noch schwerer im Magen liegt. Denn am Ende eines Hundelebens in Taiwan warten oft ein Zwinger, eine schmutzige Liege und eine Giftspritze.

Tierheime sind für die meisten Hunde eigentlich ein Todestrakt. Wer das Video des Beitrags gesehen hat, weiß ungefähr Bescheid. Ich will hier nicht großartig ins Detail gehen, aber dort mitzuerleben, wie die wirklich mitfühlende Tierärztin nicht anders kann, als wieder eine Hündin auf den letzten Weg zu bringen, die von ihrem Schicksal natürlich nichts ahnt – das hat mich schwer mitgenommen. Ich kann nicht erinnern, wann mich zuletzt ein Ort so deprimiert hat.

Der Platz für die Henkersmahlzeit und den letzten Auslauf:

Tierheim Taiwan

Ich habe auch ein Foto der leeren Todeszelle gemacht, aber das behalte ich für mich. Schön ist es nicht.

Zu viele Hunde, zu wenig Platz

„Wie ist es möglich, dass in deutschen Tierheimen keine Hunde getötet werden müssen?“ fragten Tierschützer und Tierheim-Mitarbeiter uns mehrfach während des Drehs. Darauf wusste ich gar keine rechte Antwort. Wahrscheinlich gibt es mehr Tierheime, mehr Adoptionen und weniger Hunde, die nachrücken.

Taiwan Tierheim Dreh

Das Tierheim, indem wir gedreht haben, liegt im Kreis Taoyuan und gilt als vorbildlich in der Art und Weise, wie es Hunde aufnimmt, hochpäppelt, vermittelt – und eben auch einschläfert, wenn sich innerhalb von ein paar Wochen kein Abnehmer findet. Deswegen konnten wir auch offiziell dort drehen.

Beim eigentlichen Einschläfern durften wir nicht dabei sein. Und wollten es auch gar nicht.

Vermittelt hatte uns den Kontakt der Fotograf Tou Chih-kang, der mit seinen Porträts von Hunden Minuten vor dem Einschläfern vor einiger Zeit auch international für Aufsehen sorgte.

Dokumentarfilm: 12 Nights

Das Thema ebenfalls auf die Tagesordnung gebracht hat ein Dokumentarfilm, der allerdings vor allem in Taiwan selbst zu sehen war: 12 Nights (十二夜), produziert von Autor und Regisseur Giddens Ko, der bislang eher für leichtere Stoffe bekannt zuständig war.

Der Trailer macht noch eher einen harmlosen Eindruck (Video):

Im Film selbst geht es schonungsloser zur Sache, wenn es nach dieser Besprechung geht.

Auch die Website des Wall Street Journal widmete „12 Nights“ einen Beitrag.

Der Titel des Films bezieht sich darauf, dass Hunde in den meisten öffentlichen Tierheimen eine zwölftätgige Gnadenfrist haben. Wenn sie nach dieser Zeit nicht vermittelt sind, werden sie eingeschläfert, weil schon wieder so viele nachdrängen. (Einige Tierheimmitarbeiter haben den Film kritisiert: Bei ihnen seien es immerhin 30 Tage.)

Die kleinen Rassehündchen haben dabei noch die besten Karten, sagte uns die Tierärztin in Taoyuan. Die werden fast immer rechtzeitig vermittelt. Straßenhunde haben dagegen schlechte Chancen.

Nicht nur meckern, sondern helfen

Jeder hat in Taiwan die Möglichkeit, zumindest einige ausgesetzten Hunde vor so einem Schicksal zu bewahren. Es gibt privat gegründete Tierheime, in denen Hunde nicht getötet werden. Und wer nicht selbst adoptieren kann, hat zumindest die Möglichkeit, eine Patenschaft zu übernehmen.

Lesetipp: Wie man in Taiwan Straßenhunden helfen kann

Das ist Sophie aus Taipeh, für die ich mich nun ein bisschen verantwortlich fühle:

Sophie, Hund aus dem Tierheim

ARD-Berichte aus Taiwan

In den vergangenen Jahren habe ich dem ARD-Team aus dem für Taiwan zuständigen Studio Tokio schon bei anderen Gelegenheiten geholfen. Hier eine Übersicht:

Wie fanden Sie den Bericht? Was denken Sie über die Situation von Hunden in Taiwan, und was müsste passieren?

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

Comments

7 Antworten

  1. Ich war vor kurzem in Taiwan und bin das erste mal in Taidong zusammen mit der Mutter meines taiwanischen Freundes in eine Tierhandlung gegangen. Dort habe ich dann meinen ersten und einzigen Kulturschock erlebt. Die Hunde und Katzen in den Käfigen im Schaufenster waren ein entsetzlicher Anblick, doch niemand außer mir schien daran Anstoß zu nehmen, die meisten fanden die Tiere einfach nur niedlich. Dabei wirkten viele gestresst und verhaltensauffällig. Vor der Tür war ein angeketteter Papagei der sich die Späße der vorbeilaufenden Spaziergänger gefallen lassen musste und drinnen bei den Kleintieren lag eines der Meerschweinchen im Sterben. Ich war so fassungslos, dass ich erstmal alles fotografieren musste. Abgesehen davon sind mir auch die zahlreichen freilaufenden Hunde im Park und am Strand aufgefallen. Meine wiederholte Frage, ob sie gefährlich seien, wurde nur ausweichend beantwortet. Dabei kann ich mir nicht vorstellen, dass ich der einzige bin, der beim Anblick ganzer Rudel ein mulmiges Gefühl bekommt.

    1. Hallo Chris, danke für den Kommentar. Ja, kann ich mir gut vorstellen, Deine Gedanken in der Tierhandlung.

      Ich glaube auch, es ist wichtig, dass man Taiwaner nicht vor den Kopf stößt, sondern in Ruhe erklärt, was man daran nicht in Ordnung findet, und wie man es auch machen könnte.

      Viele Grüße und eine schöne Zeit in Taiwan!
      Klaus

  2. Ich glaube, dass die Behandlung der Hunden nur ein Teil des Gesamtproblems ist – Behandlung aller Tiere im chinesischen Kulturraum (oder vielleicht in ganz Ostasien). Selbst hier in Europa waren die Teire vor ungefähr 100 Jahren nicht mehr als seelenlose Dinge betrachtet. Dort beginnt diese Entwicklung erst jetzt. Ich will den aktuellen Stand in Taiwan/China nicht begrüßen, aber unsere Urgroßväter waren nicht besonders besser. Die Änderungen kommen, aber eben muss es dauern. Verbote taugen nichts, wenn die Kultur der Leute nicht folgen kann.

    1. Ja, das kann ich nachvollziehen. Andererseits gibt es (seit Neuerem?) so viele Taiwaner, die ihre Schoßhunde total vermenschlichen, dass zumindest sie sich eigentlich darüber aufregen müssten, wenn Hunde anderswo von anderen Landsleuten schlecht behandelt werden.

  3. Trauriges Thema, größten Respekt an die Helfer in den Tierheimen. Wenn man so einen Job angeht muss man einiges an Tierliebe mitnehmen, deswegen muss es wohl umso mehr schmerzen, wenn man tagtäglich diese Tiere einschläfern muss.

    Zur Frage: “Wie ist es möglich, dass in deutschen Tierheimen keine Hunde getötet werden müssen?”
    Schärfere Gesetze und höheres Verantwortungsbewusstsein für Hunde. Vielleicht liegt das auch an geschichtlichen Unterschieden, ein Hund als Haustier existiert in Europa schon seit langem.

  4. Als Kind hatte ich einen großen Schäferhund. die Hundesprache ist einfach zu verstehen: Schwanz wedeln bedeutet Freude und bei Knurren mit erhobenen Schwanz sollte man spätestens vorsichtig werden. Vor Hunden in Deutschland habe ich nie Angst.

    Vor den Straßenhunden in Taiwan hatte ich hingegen immer Angst. Sie laufen wild in der Straße herum und auf einmal steht so ein Hund vor einen. Knurrend, Zähnefletschend und mit eingezogenem Schwanz. So ein Hundeverhalten ist völlig abnorm: Es bedeutet, dass der Hund Angst vor mir hat und als letzten Ausweg den Anriff sieht. Nach einigen dieser Erlebnisse bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass die Straßenhunde von den Taiwanern systematisch misshandelt werden. Dazu habe ich einige meiner taiwanischen Freunde in Taiwan befragt; insbesondere die jüngeren Mädels waren über meine Erfahrung sehr bestürzt bis traurig…

    Ja, das Hundeleben ist ein trauriges und gefährliches Leben in Taiwan.

  5. Trauriges Thema. Frau und ich hatten ja jahrelang eine Straßenhundrettungsorg. Irgendwann gibt man es auf, es ist so, als stelle man sich mit dem Teelöffel der großen hamburger Sturmflut gegenüber. Man fährt aufs Dorf um dramatisch einen Hund zu retten, der da irgendwo rumlaufen soll, fährt aber an 6 gerade im Straßengraben verreckenden Welpen vorbei. Irrsinn. Irrsinn. Wir haben Hunde nach USA/Kanada/CH/D verschifft (per Flugzeug natürlich), enorme Kosten, bringt viel zu wenig und Hunde gibt es überall genug. Frustrierend das Thema.

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