Wie Tagesschau und Heute Journal nach Taiwan blickten
Die Wahl ist gelaufen, Taiwan hat für den Machtwechsel gestimmt, und anders als bei den Wahlen vor vier Jahren wurden diesmal auch die deutschen Fernsehzuschauer aus erster Hand informiert. Hier sind die Videos der Berichte.
2012 hatten sie sich die Reise gespart, nun waren sie angereist: Die Korrespondenten von ARD und ZDF mit ihren Kamerateams.
Die Truppe der ARD habe ich mehr als eine Woche lang durch Taiwan begleitet (auch für einige andere Themen) und dafür gesorgt, dass alles reibungslos läuft.
Zuständig für Berichte aus Taiwan ist in der ARD das Studio Tokio mit Korrespondent Uwe Schwering, hier am Wahlabend in der Tagesschau.
Das ZDF hat die Welt anders aufgeteilt, hier ist es
das Studio Peking mit Thomas Reichart, der ebenfalls vor Ort war.
Dies sind die Berichte der Korrespondenten, die in den großen Nachrichtensendungen liefen:
16.1.: ARD Tagesschau (20 Uhr)
Nachmittags filmten wir die beeindruckend transparente Auszählung der Stimmen in einem Wahllokal in Taipeh. Danach schnell rüber zum DPP-Hauptquartier, wo sich schon eine Menschenmenge zur Siegesfeier versammelt hatte. Laut und eng war es, und Kollege Schwering fand mit Müh und Not einen geeigneten Standort für seinen Aufsager. Es war ein langer Abend, bis alles im Kasten, geschnitten und vertont war – rechtzeitig zur 20-Uhr-Hauptausgabe der Tagesschau.
Die blöde Floskel von der „abtrünnigen Provinz“ in der Anmoderation, die westliche Medien sich einfach nicht ausreden lassen, weil sie so schön griffig klingt, geht übrigens nicht auf unsere Kappe.
16.1.: ARD Tagesschau (12 Uhr)
Vorher, am Morgen, hatten wir das Wahllokal in Yonghe besucht, wo Tsai Ing-wen ihre Stimme und ein Statement abgab. Das Gedränge der Kamerateams und Journalisten war beachtlich.
15.1.: ZDF Heute Journal
Für Pekings Kommunisten aber bleibt Taiwans lebendige Demokratie, der bunte Wahlkampf, ein Ärgernis, das sie argwöhnisch betrachten.
Thomas Reichart hat kurz vor der Wahl in Taipeh eine Mutter und ihren Sohn zum Raohe-Nachtmarkt begleitet, die für unterschiedliche Parteien stimmen wollen. Er interviewte DPP-Generalsekretär Joseph Wu und traf in Taichung Wu’er Kaixi, den ehemaligen Studentenführer vom Tiananmen, der (erfolglos) fürs Parlament kandidierte.
(Mit Dennis Gastmann hatte ich ihn 2009 bereits für den NDR getroffen.)
Schaut man sich das Video der kompletten Sendung an, stößt man auch hier in der Anmoderation auf die „abtrünnige Provinz“.
15.1. (?): Deutsche Welle
“Natürlich ist Taiwan meine Heimat!”
Posted by Philipp Bilsky on Sunday, January 17, 2016
(Video)
Ein Bericht vom Leiter des chinesischen Programms der Deutschen Welle, Philipp Bilsky. Mit einem jungen Studenten und einer alten Frau, die ziemlich unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben.
15.1.: ARD Mittagsmagazin
Wir sind nicht in der Volksrepublik, aber China steckt in allen Köpfen.
Wir waren auf einer KMT-Großkundgebung vor der Chiang-Kai-shek-Halle und haben Tsai Ing-wen beim Wahlkampf in einem Tempel in Beitou beobachtet. Vor dem Präsidentenpalast sind wir mit Touristen aus China und Hongkong ins Gespräch gekommen (nur eine Frau aus Hongkong hat es ins Stück geschafft), und wir haben einen Politikwissenschaftler der Chengchi-Universität interviewt.
14.1.: 3sat Kulturzeit
Diesen Beitrag habe ich selbst über einen Zeitraum von mehreren Monaten gedreht und rechtzeitig zur Wahl fertig gestellt. Ich habe Heavy-Metal-Star und NPP-Gründer Freddy Lim bei verschiedenen Anlässen im Wahlkampf beobachtet und schließlich zum Interview getroffen.
Mit ging es darum, zu verstehen: Wie tickt dieser Mann, und wie geht er mit seinen so unterschiedlichen Rollen um?
Auch lesen: Wer ist Freddy Lim?
Dass er seinen Wahlkreis tatsächlich gewonnen hat und ins Parlament einzieht, hat mich ebenso überrascht wie die meisten Beobachter. Für völlig abwegig gehalten hatte ich es aber nie.
Bonus-Video: Mein komplettes englisches Interview mit Freddy Lim.
Das waren die „echten“ Korrespondententücke. Andere Bilder zur Taiwan-Wahl, die Sie in diesen Tagen auf ARD und ZDF gesehen haben, wurden höchstwahrscheinlich von Nachrichtenagenturen gedreht und/oder in Hamburg bzw. Mainz zusammengeschnitten.
(Oder, wie dieser Bericht von Deutsche Welle TV, in Berlin.)
Lesetipp: Die wichtigsten deutschen Medienberichte vor der Wahl
Ach ja, ein Negativbeispiel gab es auch. Spät am Abend hat da wohl jemand dem ZDF-Moderator einen Buchstabendreher im Teleprompter serviert:
Davon mal abgesehen, was meinen Sie – haben die Öffentlich-Rechtlichen ihren Taiwan-Job anständig erledigt?
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3 Antworten
Respekt vor Deiner Arbeit, Klaus. Im Vergleich zu leider viel zu vielen Medien (fast) ohne den ganzen völkisch unterfütterten Peking-Neusprech.
Der Ausgang der Wahlen freut mich ungemein: Ich sehe dies nicht so sehr als Stinkefinger in Richtung Peking (ist es auch), sondern als Zeichen einer lebendigen Demokratie in einem faszinierenden Land (nicht abtrünnigen Provinz). Bin gespannt, was sich nun in Taiwan ändern wird, wo die KMT als wohl reichste Partei der Welt die parlamentarische Mehrheit verloren hat. Level the playing field ist angesagt. Und ja: Mehr kleine Parteien braucht das Land. Ein Hoch auf Freddy!
Ob unsere Öffentlichen das „anständig“ gemacht haben, weiß ich nicht. Zumindest gab’s schonmal mehr Beachtung als sonst, hoffentlich bliebt davon etwas hängen.
Ich denke, Dr. Tsai ist die beste Wahl gewesen. Besonders gefallen hat mir aber dein Interview mit Freddy Lim. „My life is not just for fun but for do the right thing.“ Das ist ein Ansatz der mit gut gefällt. Party machen, aber auch gesellschaftliches Bewusstsein haben. Erfreulicherweise habe ich viele junge Taiwaner kennengelernt, die das ähnlich sehen.
Vielen Danke für die Berichterstattung. Ich freue mich, endlich mehr Reportagen und Dokumentationen über Taiwan zu lesen oder sehen. Diesen Kommentar fande ich sehr zutreffend:
http://www.tagesschau.de/kommentar/taiwan-machtwechsel-101.html
Besten Dank.
Rudiger