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Umstrittene Tradition: Taiwans Ureinwohner und ihre Schusswaffen

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Mit dem Vorderlader auf der Pirsch

Die Jagd gehört in meiner ländlichen norddeutschen Heimat zum Alltag. Das Brauchtum ist fest verwurzelt, und vom Abschussplan bis zum Waffenregister ist alles detailliert geregelt. In Taiwan ist das ganz anders.

Das liegt zum einen daran, dass es nur noch wenige wildlebende Tiere gibt, und die haben sich in unzugängliche Bergregionen zurückgezogen, wo Bestandsregulierung kein Thema ist. Zum anderen ist in Taiwan der Besitz von Schusswaffen illegal. Nur Polizei und Armee sind bewaffnet. Es gibt auch nur wenige Sportschützen (Bericht über einen Tontauben-Schießstand nahe Taipeh).

Eine große Ausnahme sorgt immer wieder für Diskussionen: Taiwans nicht-chinesische Ureinwohner. Eine halbe Million gibt es, von mehr als einem Dutzend offiziell anerkannten Stämmen, und viele von ihnen leben in den Bergen. Vom Auto bis zum Internetanschluss führen sie da ein ganz normales Leben. Zugleich bemühen viele sich, die eigene Kultur am Leben zu halten. Dazu gehört die Jagd.

Für Taiwans Ureinwohner gehört die Jagd dazu

Bis ins 20. Jahrhundert hinein führten Taiwans Stämme noch wirklich ein archaisches Leben. Männer zogen mit Machete, Pfeil und Bogen oder auch Gewehr durch den Wald, um Fleisch heranzuschaffen.

Tsou Tracht Ureinwohner Taiwan

Noch heute halten sich Initiationsriten: Kleine Jungen bekommen ein Jagdmesser, Trophäen weisen den Besitzer als Mann aus.

Jagd mit Schusswaffen nur als Ausnahme

Und es gibt Ausnahmeregeln: Für religiöse und Brauchtumszwecke, etwa zu Stammesfesten, dürfen Ureinwohner auch heute jagen, sogar mit Schusswaffen. Erlaubt sind allerdings nur Vorderlader-Gewehre, entweder von den Vorfahren geerbt oder selbst gebaut. Außer solchen Musketen wurden kürzlich auch umgebaute Nagelpistolen zugelassen. Präzise Blattschüsse aus der Entfernung sind mit beiden wohl kaum zu schaffen.

Jetzt lesen: Besuch bei einem Ureinwohner-Stammesfest

Vor einigen Jahren handelte Tama Talum (Foto) vom Stamm der Bunun sich Ärger ein. Er zog in die Wälder und erlegte zwei Tiere, einen kleinen Hirsch und eine Ziege. (Wer es genau wissen will: Chinesischer Muntjak und Taiwan-Serau.)

Das Fleisch, sagte er, sei für seine über 90-jährige Mutter bestimmt. Der gehe es nicht gut, und das Fleisch auf dem Markt sei zu fett für sie.

Anklage für den Jäger

Angeklagt wurde er wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz (Abschuss zu persönlichen Zwecken), und weil er eine unzulässige Waffe, offenbar eine Schrotflinte, verwendete. Talum behauptete, er habe das Gewehr gefunden.

Das Urteil lautete auf 3,5 Jahre Haft und sorgte für einen Proteststurm: Die Gesetze seien ungerecht gegen Ureinwohner, die Behörden würden ihre Kultur unterdrücken. Im Vergleich zu ihrer geringen Zahl haben die Ureinwohner in Taiwan mittlerweile eine recht starke Lobby, auch im Parlament und bei Anwälten. Talum ist noch frei, weil dem Obersten Gericht ein Berufungsantrag vorliegt.

Schüsse als Protest gegen Touristen

Ein anderer Fall: Vor zwei Jahren hatten Ureinwohner die schmale Straße zu ihrem idyllisch gelegenen Dorf blockiert. Mehr als 100 Minibusse mit chinesischen Touristen Tag für Tag empfanden sie als zu große Belastung. An ihrer Blockade führten sie ein Ritual durch und feuerten mit ihren Vorderladern in die Luft (Foto). Dieser Protest brachte ihnen ebenfalls eine Anklage ein.

Ureinwohner Zeremonie Tanz Taiwan

Das Ziel von Taiwans Ureinwohnern und ihren Unterstützern ist weitgehende Autonomie in ihren Stammesgebieten, ähnlich wie in den USA. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Was denken Sie, wie könnte man diese Probleme lösen?

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

Comments

Eine Antwort

  1. Ein Status wie in den USA wäre eher eine Verschlechterung. Soweit ich weiß orientieren sich die Ureinwohner an Neuseeland und Kanada.

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