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Sie wollte helfen, doch sie musste töten

Tieraerztin

Das traurige Schicksal von Tierärztin Chien Chih-cheng

Manche Geschichten machen fassungslos. So wie diese. 

Tierärztin Chien mit Hund

Vor fast zwei Jahren führte meine Arbeit mich an einen Ort, der mich sehr bedrückte. Es war ein staatliches Tierheim, das so überfüllt war, dass nicht vermittelbare Hunde nach einigen Wochen eingeschläfert werden mussten.

Wir waren mit einem Kamerateam der ARD dort und drehten für einen Weltspiegel-Beitrag. Darin ging es um den Umgang mit Hunden in Taiwan und die beiden Extreme: Die einen werden verhätschelt und vermenschlicht, die anderen verstoßen und am Ende vernichtet.

Zum ARD-Beitrag

Jetzt lesen: Unser Beitrag über Hunde in Taiwan (mit mehr Hintergründen)

Eine junge Tierärztin

In dem Tierheim lernten wir Chien Chih-cheng (簡稚澄) kennen, eine muntere, sympathische junge Tierärztin. Zu ihren Aufgaben hier gehörte es nicht nur, Hunde aufzupäppeln und zu pflegen, sondern auch, sie einzuschläfern. Das belastete sie offensichtlich. „Ich bin doch Ärztin geworden, um Tieren zu helfen“, sagte sie. „Stattdessen muss ich sie töten.“

Chien holte eine alte Hündin aus dem Zwinger. Ihre letzte Stunde hatte geschlagen. Draußen vor der Hintertür standen einige Plastiknäpfe. Die Sonne schien.

Hier gab Chien dem Hund seine Henkersmahlzeit, führte ihn ein letztes Mal Gassi auf einem kleinen Rasenstück.

Tierheim Taiwan

Es war ihr ganz offensichtlich wichtig, den Hund mit Würde zu behandeln. Sie hockte noch eine Weile auf dem Boden, streichelte ihn und sah aus, aus würde sie gleich weinen.

Wer sich den Beitrag ansieht, wird verstehen, was ich meine.

Video in der ARD-Mediathek, auch zum Download / Infos zum Nachlesen

Schließlich führte Chien das Tier in eine kleine Kammer mit einer schmutzigen Pritsche, wo sie ihm die tödliche Spritze setzte. Das haben wir uns dann nicht mehr mit angesehen.

Erschütternde Nachricht

Es war einer der traurigsten Orte, die ich je erlebt habe. Lange habe ich versucht, nicht mehr daran zu denken. Aber nun ist die Erinnerung wieder ganz nah, denn die Medien berichten über Chien Chih-cheng. Die junge Ärztin hat sich umgebracht.

Mit 31 Jahren, verheiratet, nahm sie sich das Leben. Sie spritzte sich das selbe Mittel, mit dem sie die Hunde einschläferte.

Hintergründe in der Taipei Times und der Daily Mail

Angeblich hinterließ sie einen Abschiedbrief, in dem sie schrieb, sie halte ihre Situation nicht mehr aus.

Als Tiermörderin beschimpft

Nachdem sie in einem taiwanischen Fernsehbericht erzählte, dass sie hunderte von Hunden töten musste, hatten Zuschauer sie in Kommentaren als „Tiermörderin“ beschimpft.

Dabei liegt die Wurzel des Problems doch bei skrupellosen Züchtern und der Masse der ausgesetzten Tiere.

„Jedes Leben ist gleich viel wert“, die Behörden sollten sich mehr Mühe bei der Lösung des Problems geben, soll sie noch geschrieben haben.

Lesetipp: Verhätschelt oder verwildert – Hundeleben in Taiwan

Taiwan will bald eine „Zero Euthanasia“-Politik einführen. Wie das funktionieren soll, wenn zugleich nichts gegen wilde Zucht unternommen wird und die Sterilisierung von Tieren nicht vorangetrieben wird, fragen sich nicht nur Tierschützer.

Was auch immer Chien letztlich zu ihrem Schritt getrieben hat, warum ihr kein anderer Ausweg einfiel – ich werde es nicht erfahren. Mir bleibt sie in Erinnerung als einfühlsame Person, die ausräumen musste, was andere angerichtet hatten.

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

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