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Lost Places: Solche Orte in Taiwan bekommt man sonst nie zu Gesicht

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Abenteuer in verlassenen Gebäuden

Hochhäuser, Wohnviertel, Kasernen, Fabriken… je verlassener, desto interessanter. Entdecker in Taiwans Städten erkunden faszinierende Plätze und teilen ihre Eindrücke.

Verfallenes Wohnviertel Taipeh

Ich muss etwas beichten: Vor über 20 Jahren, wir hatten gerade den Führerschein, bin ich mit einigen Kumpanen in einen alten Gasthof eingestiegen. Das einst beliebte Ausflugslokal vor den Toren meiner Heimatstadt stand damals schon seit vielen Jahren leer. Wir kletterten durch eine Fensterhöhle und erkundeten von der überfluteten Kegelbahn im Keller bis zu den Gästezimmern unterm Dach das ganze Gebäude.

Natürlich sah es da wüst aus. Ich erinnere mich an Details: Vergessene Wählscheiben-Telefone, Aufkleber zur Fußball-WM 1980, aufgequollene Prospekte… Spuren von längst vergangenem Leben und Treiben, die zurückgeblieben und somit erhalten waren.

Entdecker mitten in der Stadt

Hier in Taiwan kam kürzlich die Erinnerung an diesen Sommernachmittag zurück, denn hier finden sich so viele verlassene Gebäude, dass sich rund um sie herum eine Subkultur von Fotografen und Bloggern gebildet hat. „Urban Exploration“ nennt sich das, also „städtische Erkundung“. Der Begriff „Lost Places“ ist mittlerweile wohl auch geläufig.

Ziel dieser weltweiten Bewegung: in Ruinen einsteigen, den Verfall und interessante historische Spuren dokumentieren und anschließend im Netz seine Erlebnisse schildern. Die Regeln dabei: Nichts zerstören, nichts wegnehmen.

Verlassene Wohnung Taipeh

Ungewöhnliches Hobby

Warum stapfen Menschen mit Leidenschaft durch verlassene Hotelkomplexe, aufgegebene Fabriken und zerfallende Wohngebäude? Und warum schaut man sich solche Fotos an? Zersplitterte Holzwände, eingesackte Dächer, abblätternde Tapeten, leere Hallen, alles bedeckt von zentimeterdicken Staubschichten…

Auch aus Detroit, Tschernobyl und anderen postindustriellen Geisterstädten finden sich massenweise Fotos im Netz, die eher an besonders gruselige Horrorfilm-Sets erinnern als an unsere Gegenwart.

Ich empfehle diese Blogs über Lost Places in Taiwan: Spectral Codex (früher „Synapticism“) und Over the City: Hidden Taiwan

Und da liegt ein Teil der Faszination: Diese Orte sollten eigentlich nicht mehr da sein, sie wurden aufgegeben und vergessen. Sie nun noch zu erforschen, ist eine Grenzüberschreitung.

Und der morbide Charme des Verfallenen macht deutlich, wie schnell alles, was wir uns mühsam errichten, auch wieder vergehen kann – wie schnell die Natur es sich zurückerobert.

Wachunterkunft CKS-Residenz in Shilin

„Solche Orte geben mir einen Eindruck davon, wie die Welt nach dem Ende der menschlichen Zivilisation aussehen könnte“, hat einer dieser Forscher geschrieben.

Ist Neues immer besser?

Und es ist natürlich auch eine Gegenreaktion auf die Ideologie des „neu ist besser“, die ständig neue Hochhäuser und Einkaufszentren aus dem Boden stampft und dabei das Alte oft völlig ausradiert. Das hat in Asien sicher noch andere Dimensionen als in Deutschland.

Wachunterkunft CKS-Residenz in Shilin

Lost Places bieten Einblicke in längst vergangene Zeiten

Die siebziger oder achtziger Jahre, als Taiwans Bauboom begann, waren eine völlig andere Ära, und die Ruinen bieten Einblicke in solche vergangenen Zeiten und in das Leben der Menschen.

Hier zum Beispiel: Ein verlassener Entertainment-Komplex in Taichung

Wie haben sie sich eingerichtet, mit welchem Dingen haben sie sich umgeben? Wie mögen sie hier gelebt haben, gelacht, gestritten, gearbeitet, Kinder aufgezogen?

VHS-Kassette in verlassener Wohnung

Die Menschen sind längst verschwunden, aber Spuren der Erinnerung an sie sind konserviert – hinter verfallenen Fassaden, unter dicken Staubschichten.

Ich selbst habe mich noch nicht dieser Bewegung angeschlossen, plane meine Wochenenden nicht nach GPS-Koordinaten vielversprechender Fabrikruinen.

Verlassenes Hotel in einem Bergdorf

Aber ich verstehe die Faszination, und ab und zu gehe ich auch um die eine oder andere Ecke, durch Türen, die nirgendwo hinführen sollten, und entdecke solche Orte.

So wie damals diesen Gasthof, der inzwischen übrigens restlos abgerissen ist. Zumindest habe ich die Erinnerung.

Liegt in Ihrer Gegend auch neugierig machende, verlassene Lost Places? Hat es sie schon mal gejuckt, sie sich von innen anzusehen?

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

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