Trump-Schock auf taiwanisch
Um die US-Wahlen zu verfolgen, lebe ich in Taiwan genau in der richtigen Zeitzone. Morgens um sieben schlossen die ersten Wahllokale. Und am frühen Nachmittag, als die Amerikaner schon die Nacht durchmachen, stand das Ergebnis fest – das die meisten in Deutschland dann erst nach dem Aufwachen erfahren haben.
Natürlich war die Überraschung hier genauso groß wie im Rest der Welt. Donald Trump, Präsident der Vereinigten Staaten – noch vor einem Jahr war das die Pointe von müden Witzen. Aber es ist nun mal passiert.
Was heißt das nun für Taiwan?
Das kleine Taiwan spielt ja eine herausragende Rolle im globalen Machtpoker zwischen den USA und China – den beiden einzigen Großmächten (sorry, Putin). China würde sich Taiwan gern unter den Nagel reißen, hat hier aber nichts zu sagen. Die USA haben zwar seit ungefähr 40 Jahren weder diplomatische Beziehungen mit Taiwan noch Truppen hier stationiert, sind aber in aber inoffiziell weiter unsere Schutzmacht und liefern zum Beispiel immer wieder mal Waffen.
Und William Stanton, ein ehemaliger inoffizieller Botschafter Washingtons in Taipeh, erwähnte gerade ganz offen in einem Radiointerview, dass amerikanische Offiziere und Militärberater immer wieder mal nach Taiwan kommen. (Sendung vom 4.11., ab 42:20 min.)
Taiwans geostrategische Lage
Außer historischen und ideologischen Gründen liegt das Interesse der beiden Großmächte einfach an Taiwans Position. Kennt man ja von Immobilien: Lage, Lage, Lage. Mit Taiwan hätte Chinas Marine die Umringung des Landes durch US-Alliierte durchbrochen (wobei seit Duterte wohl ein Fragezeichen hinter den Philippinen stehen muss) und freie Fahrt auf den Pazifik. Peking würde die Seewege nach Japan und Korea kontrollieren und als erstes wohl an der Ostküste eine Basis für seine U-Boote errichten.
Kein Wunder, dass General Douglas MacArthur schon in den 1940er Jahren unsere kleine Insel als „unsinkbaren Flugzeugträger“ bezeichnet hatte.
Ich bin kein Freund amerikanischer Weltpolizei-Machtspiele, aber in Taiwan lebe ich persönlich lieber unter inoffiziellem Schutz der USA als unter offizieller Kontrolle durch das Regime in Peking. Es stimmt halt, was Egon Bahr, der alte Realpolitiker, mir mal sagte: Taiwan ist zu klein, um im Konzert der Großen mitbestimmen zu können. Es braucht Verbündete.
Jetzt Video sehen: Egon Bahr zu China und Taiwan
Was macht Trump?
Wird Trump an alten Bündnisverpflichtungen wie dem Taiwan Relations Act festhalten, oder wird er in der Außenpolitik ganz neue Schwerpunkte setzen? Das ist hier die große Frage. Er hat ja schon durchblicken lassen, dass Amerika nicht mehr überall als Schutzmacht auftreten soll. Japan und Südkorea könnten auch für sich selbst sorgen, sagte er. Taiwan erwähnte er nicht.
Andererseits tönte er damit, China gegenüber tough auftreten zu wollen, und als gewiefter Geschäftsmann sollte er keine Trümpfe freiwillig aus der Hand geben.
TPP hat schlechte Karten
Ein anderes Thema sind Freihandelsabkommen. Der tranzpazifischen Partnerschaft TPP, dem asiatischen Gegenstück zu TTIP, würde Taiwan als Exportnation eigentlich gern beitreten. Die Skepsis ist hier viel geringer als etwa in Deutschland. Unter Trump sollten beide Abkommen nun eigentlich gestorben sein.
In der Realität müsse der Polit-Neuling im Weißen Haus sich sowieso auf erfahrene Ratgeber und Experten verlassen, sagen nun viele Experten. Er werde Asien schon nicht vernachlässigen, sagen die einen. Andere sind skeptischer. Jedenfalls sollte Taiwan auf alle Fälle vorbereitet sein und sein Militär nicht vernachlässigen.
Offenbar gab es im Oktober sogar schon ein Treffen eines Trump-Vertrauten mit Präsidentin Tsai.
Ob Trump wohl Taiwan auf einer Karte finden würde? Sollte er eigentlich, denn zumindest sein Immobilienkonzern ist hier schon länger aktiv. Einige Apartmentkomplexe (sh. Plakat auf Foto oben) tragen seinen Namen. Da könnte er dann ja absteigen, falls er mal vorbeikommt.
Das würde China aber ärgern!
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