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Ein Deutscher im Gefängnis in Taiwan

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Wie Sardinen in der Büchse

Er hatte eine Straftat begangen, war verhaftet und verurteilt worden. Nun saß er im Gefängnis – als Deutscher, in Taiwan, ohne Sonderbehandlung. Ich besuchte ihn, um mehr zu erfahren.

Gefängnis Taiwan Plakat Love or Punishment

„Love or Punishment“, Liebe oder Strafe, stand auf dem Plakat mit der einladend lächelnden jungen Frau. Und darunter: „Deine Wahl?“

Mach kein dummes Zeug, sonst siehst Du Deine Freundin lange nicht, sollte das heißen. Das Poster hing am Eingang des Besucherzentrums im „Taipei Prison“, das trotz seines Namens in Taoyuan steht.

Ich war hier, um einen Deutschen zu besuchen, der in Taiwan im Knast saß.

Taipei Prison Gefängnis Taiwan

Nennen wir ihn Wilfried.

Er hatte Drogen eingeschmuggelt. Wilfried war nur eine kleine Nummer, als Loser in Thailand gestrandet. Das Geld verbraucht, kam er auf dumme Ideen, brachte für Hintermänner einen Koffer nach Taiwan. Wilfried schaffte es bis in ein Hotelzimmer in Taipeh. Die Polizisten stürmten den Raum. Rivalisierende Gangster hatten wohl den Tipp gegeben.

Lebenslang für Heroinschmuggel

Für mehr als zwei Kilo Heroin bekam er eine lebenslange Haftstrafe. Das war 2002. Erst nach 20 Jahren würde er einen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen können.

Als ich ihn an einem verregneten Vormittag besuchte, war es der Tag nach Chinesisch Neujahr 2010. Wilfrieds Schwester hatte sich bei mir gemeldet. Sie hoffte auf Medienberichte über die Situation ihres Bruders, denn es kam ihr so vor, sagte sie, als hätten die deutschen Behörden ihn vergessen.

Taipei Prison Gefängnis Taiwan

Eine Strafe hatte Wilfried verdient, das bestritt auch sie nicht. Wenn aber ein Deutscher (oder ein anderer Ausländer) in Taiwan einsitzt, dann ist er mehrfach gestraft. Die anderen Insassen empfangen regelmäßig Besuch, sehen ihre Familie, bekommen Essen mitgebracht.

Welche Angehörigen aber machen eine lange Reise nach Taiwan, nur für ein einziges halbstündiges Gespräch? Ein solcher Besuch pro Woche, mehr ist nicht drin.

Besucher Gefängnis Taiwan

Nun also war ich der Besucher. Ich füllte ein Formular aus und wartete auf einer Plastikbank darauf, dass meine Nummer drankam. Am ersten Tag nach den Feiertagen war es knackevoll. Viele Familien sah ich, ganz normale Leute bis auf die Tatsache, dass einer der Ihren im Gefängnis saß.

Gespräch durch die Glasscheibe

Wilfried traf ich dann im Besuchsraum auf der anderen Seite einer Glasscheibe, wir sprachen per Telefonhörer. Er sah nicht schlecht aus, wirkte beinahe fröhlich. Seine Schwester hatte mich gewarnt: Er sei immer gut darin gewesen, anderen etwas vorzumachen.

Besuch Gefängnis Taiwan

Wie sieht der Knastalltag aus? Das wollte ich erfahren. Dass die Verhältnisse in Taiwans Gefängnissen nicht unmenschlich sind, aber sicher nicht vergleichbar mit Deutschland, das hatte ich schon gehört.

Er teile sich seine Zelle mit 20 Mann, sagte Wilfried. Wie groß? Um die 16 Quadratmeter. Wenn nachts alle ihre Matratzen ausrollen, lägen sie „wie Sardinen in der Büchse“, und schnell habe man ein Knie im Rücken, so eng sei es.

Überbelegung ist wohl das größte Problem in Taiwans Haftvollzug. Ende 2015 gab es 63.000 Häftlinge bei einer ursprünglichen Kapazität von nur 55.000. Im Schnitt hat jeder nur knapp drei Quadratmeter Platz.

Dieses Foto hat die für Strafvollzug zuständige Behörde in Taiwan selbst herausgegeben:

Schlafen Gefängnis Taiwan

Taiwan will nun Gefängnisse erweitern. Ein Problem bleibt jedoch, dass ein sehr großer Anteil der Häftlinge wegen eher leichter Drogenvergehen (Marihuana…) einsitzt. Da fährt Taiwan wirklich eine Null-Toleranz-Politik. Ob das so sinnvoll ist, auch im Hinblick auf Resozialisierung? Viele werden ja erst hinter Gittern richtig kriminell, heißt es.

Tüten kleben in der Knastwerkstatt

Eine Toilette gab es in Wilfrieds Zelle, und wer neu war, bekam den Platz direkt daneben. Tagsüber arbeitete er in der Werkstatt, Tüten kleben, solche mit Kordel, wie teure Geschäfte sie ihren Kunden geben.

Chinesisch hatte er genug aufgeschnappt, um mit den anderen Insassen klar zu kommen. Weil er schon ein paar Jahre da war, habe er einen gewissen Status, sei außerdem größer als die meisten, brauche sie „nur mal anzugucken“, um Situationen zu entschärfen.

Stacheldraht Gefängnis Taiwan

Ich besuchte Wilfried später noch zwei Mal. Aus einem Bericht wurde nichts. Ich erfuhr, dass die Behörden keineswegs untätig waren, sondern dass hinter den Kulissen seit Jahren an einem deutsch-taiwanischen Überstellungs-Abkommen gearbeitet wurde. Das wollte ich nicht gefährden. Und ich wollte auch Wilfried keine Publicity verschaffen, die für ihn nach hinten losgehen könnte.

Deutsch-taiwanisches Abkommen zum Gefangenenaustausch

Mittlerweile ist das Abkommen in Kraft getreten (PDF auf Englisch). Wer einen Teil seiner Strafe abgesessen hat, kann nun den Rest im Heimatland verbüßen. Ein beispielhafter Fall: 2013 zu 16 Jahren verurteilt, 2016 überstellt, um den Rest seiner (bei diesem Vergehen in Deutschland maximal 15-jährigen, daher von Taiwan noch leicht reduzierten) Haftstrafe abzusitzen.

Sicher kommen irgendwann Freigang, Haftaussetzung usw. in Frage, aber generell sieht das Abkommen vor, dass die ursprünglich verhängte Strafe auch im Heimatland weiter gilt. (Ob Taiwan-Haftjahre wegen härterer Bedingungen hier anders angerechnet, entscheiden Richter im Einzelfall – sind aber, nach dem was ich so höre, nicht unbedingt großzügig.)

Natürlich kann dieses Abkommen auch auf Taiwaner angewendet werden, die in Deutschland im Gefängnis sind. Noch ist das aber nicht passiert.

Keine deutschen Insassen mehr in Taiwan

Vor dem Abkommen saßen in Taiwan sechs Deutsche in Haft. Alle waren wegen Drogenschmuggel verurteilt. Aktuell ist es keiner mehr. Auch Wilfried ist wieder in Deutschland. Seine lebenslange Strafe wurde vorher sicher auch umgewandelt.

Aber alle paar Jahre schnappen sie hier wieder einen, der sich als Drogenkurier sein Leben versaut.

Für diese Menschen wird Taiwan kein Zuhause, nur ein Gefängnis.

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

Comments

4 Antworten

  1. Ich bin zwar mittlerweile im Ruhestand, aber mit Stand 2018 waren es nur 5 Deutsche, die meines Wissens alle wieder in Deutschland sind. LG

  2. Mitleid sollte man da nicht haben, der Marktwert liegt bei dieser Menge schon bei ca. 100.000 Euro, durch Verschnitt noch weitaus höher! Mal ganz davon abgesehen, welches Leid und Elend damit den Konsumenten zugefügt wird. Ein Dealer bzw. Drogenkurier ist weitaus schlimmer und muss viel härter bestraft werden als ein Konsument, welcher meist nicht mehr davon wegkommt, speziell bei Heroin!

    1. Ich sehe es auch so, dafür gibt es kein Mitleid. Man sollte hier wirklich die volle Wucht anwenden. Ich begrüße es, wenn man sich dafür weiter aus dem Fenster lehnt !

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