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Ehegattennachzug, Ausreisepflicht, Abschiebung – so viele Taiwaner betrifft das

Taiwan Rot

Interessante Einblicke beim Bundestag

Unerlaubte Einreise oder Abschiebungen sind Schlagworte, die man eher nicht mit Taiwan in Verbindung bringt. Trotzdem findet sich es sich natürlich neben allen anderen Staaten in deutschen Statistiken wieder. Ich habe mir Zahlen genauer angesehen und ins Verhältnis gesetzt – richtig gestaunt habe ich dabei vor allem über die Zahl chinesischer Touristen.


Ich freue mich ja immer, wenn Taiwan in der deutschen Politik irgendwie thematisiert wird. Oft passiert das nicht, und meistens fliegen solche Erwähnungen auch noch unter dem medialen Radar hindurch.

Ein echtes Informations-Füllhorn ist die Webseite des Bundestags. Als ich dort gerade nach möglichen neuen Clips für meine YouTube-Playlist „Deutsche Taiwan-Politik“ suchte, stieß ich via Volltextsuche auf eine ganze Menge aktuelle Taiwan-Treffer. Was war da los?

Ein genauerer Blick ergab: Das liegt an der Opposition, namentlich an der Linken und der AfD. Im Zusammenhang mit der unseligen Asyldebatte stellten beide in den vergangenen Monaten der Bundesregierung eine ganze Reihe Anfragen, die diese auch beantworten musste. Natürlich hatten beide Parteien gänzlich andere Hintergedanken bei ihren Fragen, aber gemeinsam ist den Antworten: Neben allen anderen Ländern nennen sie unter ferner liefen auch Taiwan. Und das ist dann doch interessant.

Ich präsentiere also: offizielle, so wahrscheinlich nirgendwo sonst veröffentlichte Zahlen zu Taiwanern in Deutschland, von Ehegattennachzug über Abschiebungen und unerlaubte Einreisen bis zum Schengen-Touristenvisum. Und weil ich neugierig war, habe ich die Zahlen für China gleich noch dazugestellt.

Ehegattennachzug

Die Fraktion der Linken stellte eine Anfrage zum Scheineheverdacht im Familiennachzugsverfahren. Sie bezog sich auf Kritik, dass es bei gemischt-nationalen Paaren häufig eine Art behördlichen „Ehe-TÜV“ gebe, obwohl die Auswahl des Partners doch eine ganz persönliche Entscheidung sei.

„Neben einer langen Verfahrensdauer und Schwierigkeiten beim Erwerb des A1-Sprachzertifikats begegnen viele binationale Paare nach Kenntnis der Fragesteller dem Problem, dass die Behörden die Schutzwürdigkeit ihrer Ehe anzweifeln. So wird bei Ehen zwischen deutschen und ausländischen Staatsangehörigen bzw. Ehen zwischen zwei ausländischen Staatsangehörigen häufig unterstellt, dass die Eheschließung nur zum Zwecke des Erwerbs eines Aufenthaltstitels erfolgt sei.

Die wichtigste Frage lautete:

„Wie viele Visumsanträge zum Ehegattennachzug wurden im Jahr 2017 gestellt, bearbeitet und erteilt, und wie hoch war dabei jeweils die Ablehnungsquote?“

(PDF hier)

In der Antwort der Bundesregierung finden sich diese Angaben zu Taiwanern und Chinesen, die als Ehegatten ein Visum zum Nachzug nach Deutschland beantragt hatten:

2016 2017
Frau TW zu Mann D erteilt 43 59
abgelehnt 0 2
zurückgezogen 0 2
Mann TW zu Frau D erteilt 1 1
abgelehnt 0 0
zurückgezogen 0 0
Frau TW zu Mann TW erteilt 52 60
abgelehnt 0 2
zurückgezogen 3 3
Mann TW zu Frau TW erteilt 3
abgelehnt 1
zurückgezogen 1
gesamt erteilt 123 (92%)
China: 1821 (92%)
abgelehnt 5 (4%)
China: 114 (6%)
zurückgezogen 6 (4%)
China: 43 (2%)

Fazit:

  • Deutlich mehr Taiwanerinnen als Taiwaner ziehen zu ihrem Ehepartner nach Deutschland.
  • Der bereits in Deutschland lebende Ehepartner ist etwa gleich häufig Deutscher oder selbst Taiwaner.
  • Nur ganz wenige dieser Anträge werden abgelehnt.
  • Bei Chinesen sind die Zahlen (wenig überraschend) mehr als zehnmal so hoch. Die Ablehnungsquote liegt ähnlich niedrig.

Möchte jemand seine persönlichen Erfahrungen teilen? Haben die deutschen Behörden genauer nachgefragt? Wurde eine Scheinehe unterstellt? Ich freue mich über Kommentare.

Abgelehnte Asylbewerber

Die AfD-Fraktion interessiert sich für ausreisepflichtige Asylbewerber in Deutschland und fragte:

„Wie viele Personen, deren Asylantrag in Deutschland rechtskräftig abgelehnt wurde, halten sich nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Deutschland auf?“

(PDF hier)

Die Antwort der Bundesregierung:

„Ausweislich des Ausländerzentralregisters hielten sich zum Stichtag 30. Juni 2018 insgesamt 689.970 Personen in Deutschland auf, deren Asylantrag rechts- oder bestandskräftig abgelehnt wurde, ohne dass dies direkte Rückschlüsse auf den aktuellen Aufenthaltsstatus zulässt.“

China: 4854 (zum Vergleich Indien: 11.543, Vietnam: 27.553)

Taiwan: 25 (zum Vergleich Australien: 45, Kanada: 96, Japan: 2)

Fazit:

  • In Deutschland leben einige Taiwaner, die einen Asylantrag gestellt hatten und damit gescheitert sind. (EDIT: Siehe auch diesen Kommentar unten.)
  • Die Zahl der Chinesen, auf die das zutrifft, ist fast 200-mal größer, aber im Vergleich zu Ländern wie Indien oder Vietnam auch eher gering.

Wiedereinreisesperre

Im gleichen Dokument fragte die AfD:

„Wie viele Personen, die mit einer Wiedereinreisesperre nach Deutschland belegt wurden, halten sich nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Deutschland auf?“

Die Antwort der Bundesregierung:

„Ausweislich des Ausländerzentralregisters hielten sich zum Stichtag 30. Juni 2018 insgesamt 6723 Personen mit einer über den Stichtag hinausgehenden Wiedereinreisesperre in Deutschland auf.“

China: 16

Taiwan: 0

Fazit:

  • Kein Taiwaner, der einer Wiedereinreisesperre unterliegt, lebt in Deutschland.

Abschiebungen

Die Linke interessierte sich für Abschiebungen und fragte:

„Wie viele Abschiebungen auf dem Luftweg wurden im ersten Halbjahr 2018 von deutschen Flughäfen aus durchgeführt?“

(PDF hier)

Die Regierung antwortete:

„Im ersten Halbjahr 2018 wurden insgesamt 11.005 Abschiebungen auf dem Luftweg
vollzogen.“

Zielstaat China: 27, Zielstaat Taiwan: 4

Staatsangehörigkeit China: 47, Staatsangehörigkeit Taiwan: 0

Eine weitere Frage:

„Wie viele Zurückweisungen und Zurückschiebungen fanden im ersten Halbjahr 2018 an deutschen Flughäfen statt?“

Folgende Zahlen gab es dazu:

Zurückweisungen auf dem Luftweg: 2839

Zielstaat China: 39, Zielstaat Taiwan: 0

Staatsangehörigkeit China: 65, Staatsangehörigkeit Taiwan: 1

Fazit:

  • Genau ein Taiwaner hat im ersten Halbjahr 2018 im Flughafenverfahren einen Asylantrag gestellt, der als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Es folgte die Zurückweisung, allerdings nicht nach Taiwan. Wohin dann? Über diese Geschichte wüsste ich gern mehr.
  • Ansonsten war kein Taiwaner Ziel von von Abschiebung oder Zurückweisung.
  • Gut 100 Chinesen waren dagegen betroffen.

Asylantrag, letztes Aufenthaltsland

Auch eine AfD-Anfrage:

„Wie viele Asylsuchende, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Zuge ihres Asylverfahrens nach ihrer Reiseroute befragt wurden, haben seit 1. Januar 2018 angegeben, sie seien mit dem Flugzeug nach Deutschland eingereist, und welche Angaben über das abgefragte „Land des letzten Abfluges“ wurden von den Befragten gemacht?“

(PDF hier)

Die Antwort:

„Seit 1. März 2018 wird im Rahmen der Reisewegsbefragung bei Befragten, die angeben, mit dem Flugzeug in Deutschland eingereist zu sein, zusätzlich das Land des letzten Abflugs erfragt. Hierzu wurden von den Befragten zwischen 1. März 2018 und 30. Juni 2018 im Einzelnen folgende Angaben gemacht.“

China: 0, Taiwan: 1

Fazit:

  • Vielleicht war das der eine Fall aus dem vorherigen Punkt.

Illegale Einreise an Flughäfen

Und noch einmal die AfD:

„Wie viele illegale Einreisen und Einreiseversuche an deutschen Flughäfen wurden von der Bundespolizei seit 2010 registriert?“

(PDF hier)

In der Antwort finden sich die folgenden Daten, aufgeschlüsselt nach Nationalität:

Taiwan Südkorea China
2010 15 5 690
2011 11 12 670
2012 9 6 677
2013 7 10 570
2014 9 11 618
2015 10 14 561
2016 19 37 746
2017 24 8 799
2018 (Q1) 4 1 114

Fazit:

  • Etwas mehr als einmal pro Monat wird einem Taiwaner vorgeworfen, via Flughafen unerlaubt einreisen zu wollen.
  • Die Zahl der betroffenen Südkoreaner (von mir herausgegriffen als in vielerlei Hinsicht vergleichbares Land)  ist trotz mehr als doppelt so großer Bevölkerung etwas geringer (Taiwan in diesem Zeitraum gesamt: 108, Südkorea gesamt: 104).
  • Die Zahl der Chinesen ist deutlich höher: Fast zwei pro Tag.

Schengen-Tourismusvisa

Die AfD-Fraktion wollte von der Bundesregierung wissen:

„Wie viele Personen aus jeweils welchen Herkunftsländern haben seit dem
Jahr 2011 ein Tourismusvisum beantragt, und wie vielen Personen wurde es
jeweils erteilt?“

(PDF hier)

Dabei ist wichtig: Seit dem 11. Januar 2011 dürfen Taiwaner als Touristen ohne Visum 90 Tage in den Schengen-Raum reisen. Touristen-Visa sind seitdem nur noch in Ausnahmefällen nötig.

Diese Zahlen nannte die Bundesregierung für Antragsteller aus Taiwan und China:

Taiwan China ges.
2011 23 17.449 243.014
2012 23 24.576
2013 24 70.056
2014 26 101.668
2015 50 150.280
2016 56 157.896 625.291
2018 (Q1) 12 28.973

Fazit:

  • Nur noch ganz wenige Taiwaner müssen ein Touristenvisum für Deutschland beantragen.
  • Die Zahl chinesischer Touristen in Deutschland ist drastisch gestiegen.
  • Mittlerweile stellen Chinesen unter den Touristen, die mit Visum nach Deutschland reisen, mit etwa 25% die mit Abstand größte Gruppe. 2011 hatten noch mehrere Länder davor gelegen.

Und was sagt uns das?

Mit Statistiken lässt sich ja bekanntlich fast alles belegen. Eine mögliche Interpretation dieser (zugegeben willkürlich herausgegriffenen) Daten könnte lauten: Taiwaner werden den deutschen Behörden in Einwanderungs- und Aufenthaltsfragen eher selten negativ auffällig, so wie es bei ihrer geringen Zahl auch zu erwarten wäre. Natürlich würde mich umgekehrt auch interessieren, wie es in Taiwan mit den Deutschen aussieht.

Hat Sie an diesen Zahlen etwas überrascht? (Anmerkung: Dies ist nicht der Ort, die generelle Asyl- und Migrationsthematik zu diskutieren. Ich freue mich auf Kommentare mit Taiwan-Bezug.)

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

Comments

6 Antworten

  1. Die deutsche Vize-Repräsentantin in Taiwan schreibt dazu:

    „…Ein Großteil der Nachzugswilligen sind weiblich, die Ehefrauen der deutschen Männer bzw. die Ehefrauen der in DEU erwerbstätigen Taiwaner (bzw. Wissenschaftler o.ä.), das sind die Klassiker. Aber wie die Statistik zeigt, ganz wenige. Manche stellen dann irgendwann einen neuen Antrag und weisen zuvor fehlendes nach.

    im Fall Taiwan scheitert es an den A1 Sprachkenntnissen, und beim FZF zu twn Partnern z.B. dass der geplante Aufenthalt geringer als 1 Jahr ist, oder Leute wollen zum studierenden Partner nachziehen und sehen irgendwann ein, dass das nicht sinnvoll ist.

    Auch wenn Taiwan wirklich kein Land ist, dass für Scheinehen bekannt ist (Scheinehe: mind. ein Partner hat keine echte Eheführungsabsicht, sondern nutzt die Ehe, um Daueraufenthalt zu erlangen, um dann den echten Partner nachzuholen, oder andere Verwandte, oder andere Personen), muss man sich ein paar Fragen gefallen lassen. Bedanken kann man sich dann bei denen mit den unlauteren Absichten….

    Wirklich interessant sind die 25 Asylantragsteller aus TWN. Das dürften Inhaber der tausenden „verlorenen“ taiwanischen Pässe sein, also andere Asiaten, Chinesen, Tibeter o.a., die mit einem gekauften Pass eingereist sind und sich damit haben erwischen lassen… taiwanische Fluchtgeschichten sind nicht dabei.“

    https://www.facebook.com/groups/287698284706718/permalink/1277929415683595/?comment_id=1278183222324881&comment_tracking=%7B%22tn%22%3A%22R1%22%7D

  2. „Deutlich mehr Taiwanerinnen als Taiwaner ziehen zu ihrem Ehepartner nach Deutschland.“

    Wenig überraschend…deutlich mehr Taiwanerinnen heiraten Ausländer als Taiwaner

  3. Danke für die Statistiken, ein gefundenes Fressen für einen Statistikliebhaber wie mich!

    Im Vergleich zu den abgelehnten Asylanträgen hätte mich noch die Zahl der Anträge interessiert. Wäre nämlich spannend zu sehen, ob ein Antrag aus Taiwan angenommen wurde (und falls ja, mit welcher Begründung).

    Bei den Abschiebungen fand ich interessant, dass 4 Personen nach Taiwan abgeschoben wurden, obwohl kein Taiwaner dabei war. Ich dachte, dass grundsätzlich ins Heimatland abgeschoben wird und nicht in irgendwelche Drittländer. Vielleicht waren das aber auch Personen mit Wohnsitz (und Aufenthaltsrecht) in Taiwan, so dass sie sich dafür entscheiden konnten.

    Bei den Zurückweisungen bzw. „Zurückschiebungen“ wunderst Du Dich über einen Taiwaner, der aber nicht nach Taiwan geschickt wurde.
    Ich nehme an, dass man bei Ankunft am Flughafen im Zweifelsfall dahin zurückgeschickt wird, von wo man kommt. D.h. wenn ein Taiwaner aus Singapur gekommen ist, würde er im Zweifelsfall dahin zurück geschickt.

    Schließlich zum Thema illegale Einreise: Da wäre interessant zu erfahren, wie oft es an manipulierten Reisepässen lag. Ist ja relativ bekannt, dass einige Taiwaner das Deckblatt überkleben. Ich denke nicht, dass es da Statistiken zu gibt, aber das könnte durchaus der Grund für die im Vergleich zu Korea hohe Zahl sein.

  4. Hi,
    inzwischen gibt es nicht nur die „visafreie“ Einreise, sondern auch die einjährigen Work&Travel Visa für junge Leute. Diese sind kontingentiert. Da hatte ich mich gefragt ob diese jährlichen Kontingente schnell ausgeschöpft sind oder ob sie vielleicht überhaupt nicht ausgeschöpft werden. Wenn diese Visa zu den Tourist-Visa gehören werden sie offensichtlich nicht ausgeschöpft.
    Viele Grüße

    1. Danke für die Anmerkung. Ich glaube allerdings nicht, dass Work & Travel den Tourismusvisa dazugerechnet wird. So weit ich weiß, schöpfen die Taiwaner das Kontingent Richtung Deutschland aus, die Deutschen umgekehrt nicht.

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