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Wie sich in Taiwan Unternehmer und Politiker gegenseitig bereichern

Milliardenschweres Feindbild im Gefängnis

Einer der reichsten Männer des Landes sitzt in Untersuchungshaft, weil sein Bauunternehmen geschmiert haben soll. Und ein hochrangiger Politiker, der schon lange unter Verdacht stand, hat das Geld wohl nur zu gern genommen. In Taiwan, seit der Parlamentsbesetzung durch Studenten aufgerüttelt, halten viele das für die Spitze des Eisbergs.

Taipei Dome Tree Protests
Proteste gegen Farglory am Taipei Dome

Mit einem Koffer voll Bargeld ist ein Skandal ins Rollen gekommen, der das Thema Korruption in Taiwan ganz weit nach oben auf die Tagesordnung gesetzt hat. Ein Mittelsmann hatte den Rollkoffer mit Banknoten im Wert von 16 Millionen Taiwandollar (390.000 Euro) vergangenen Donnerstag in einem Restaurant einem Politiker übergeben: Yeh Shih-wen, stellvertretender Landrat der aufstrebenden Region Taoyuan.

Dabei wurden sie von Fahndern beobachtet, die am nächsten Morgen mit Hausdurchsuchungen die Bombe platzen ließen. Mittlerweile sitzt außer Yeh auch einer der reichsten Männer Taiwans in Untersuchungshaft: Chao Teng-hsiung, milliardenschwerer Vorsitzender des börsennotierten Bauunternehmens Farglory Land.

Aus seiner Firma, die sich auf von der öffentlichen Hand ausgeschriebene Großprojekte spezialisiert hat, kam das Geld. Es ging um den Bau von knapp 1000 staatlich subventionierten Wohnungen in Taoyuan – mit einem Volumen von 30 Millionen Euro nach dem Maßstäben von Farglory Land eher ein kleines Projekt, das Chao nun zum Verhängnis werden könnte. Zwar versicherte der 70-Jährige, laut Forbes 1,8 Mrd. US-Dollar schwer, er habe mit Schmiergeldzahlungen nichts zu tun. Und zunächst wurde er auch gegen Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt. Doch die Strafverfolgungsbehörden legten postwendend Widerspruch ein, und so sitzt Chao nun für zunächst zwei Monate in Untersuchungshaft. Mittlerweile räumt er sogar über seine Anwälte ein, dass er von der Geldübergabe wusste. Bestechung sei das freilich nicht gewesen.

Feindbild für Umweltschützer und Aktivisten

Besondere gesellschaftspolitische Brisanz hat der Fall, weil Chao und seine Farglory-Gruppe das Feindbild von Umweltschützern und anderen Aktivisten verkörpern, die seit Monaten Taiwans Regierung mit Protesten unter Beschuss nehmen. Seit aufgebrachte Studenten Mitte März fast einen Monat lang das Parlament besetzt hatten, ist Taiwans Zivilgesellschaft wachgerüttelt. Landenteignungen, Atomkraft, China-Politik – die Anliegen der protestierenden Gruppen sind vielfältig, doch in einem sind sie sich einig: Taiwans Regierung steht auf der Seite von Wohlhabenden wie Chao und großen Konzernen wie Farglory.

Mitten in Taipeh errichtet Farglory Land derzeit den „Taipei Dome“, einen riesigen Veranstaltungskomplex samt Hotel und Einkaufszentrum. Umweltschützer hatten schon vor Jahren gegen den Bau mobil gemacht, für den viele Hektar wertvollen Grünlands gerodet und versiegelt wurden.

Lesetipp: Warum der Taipei Dome viele wütend macht

Seit Wochen campieren einige Aktivisten nun an der Baustelle und wollen verhindern, dass auch noch die letzten Straßenbäume entfernt werden. Es ist ein eher symbolischer Widerstand, doch sie scheuen auch vor Konfrontationen mit der Polizei nicht zurück. Bislang kam es dabei nicht zu Ausschreitungen.

Mein Video über die aktuellen Proteste am Taipei Dome:

Nur die Spitze des Eisbergs?

Seit der Festnahme von Farglory-Chef Chao sehen die Demonstranten sich nun bestätigt in ihrem Verdacht, dass auch beim Bau des Taipei Dome nicht alles mit rechten Dingen zuging. So habe Farglory im Rahmen eines Build-Operate-Transfer-Betreibermodells das Land für den Taipei Dome von der Stadt 50 Jahre lang zum Spottpreis bekommen.

Und auch das gigantische Taoyuan Aerotropolis-Projekt, für das 25.000 Menschen umgesiedelt werden sollen, gerät nun unter Mauschelei-Verdacht. Auch daran war Yeh beteiligt. Da kommt noch einiges auf uns zu.

Dass Schmiergelder vor allem in der Bauwirtschaft in Taiwan weit verbreitet sind, gilt als offenes Geheimnis. Die Regierung hat zwar den Kampf gegen korrupte Politiker zur Priorität erklärt und auch eine Anti-Korruptions-Agentur im Justizministerium eingerichtet. Seitdem werden jedoch immer wieder Vorwürfe laut, die Ermittler seien gegen Parteifreunde weniger streng als gegen politische Gegner.

Auch wenn das im aktuellen Fall nicht so sein sollte, zeigt er doch, wie tief die Probleme reichen: Yeh Shih-wen, der Empfänger des Geldes im Koffer, war bis Mitte vergangenen Jahres noch Leiter der Abteilung für Planung und Konstruktion in Taiwans Innenministerium und damit unmittelbar beteiligt an Infrastrukturprojekten der Regierung. Obwohl er wegen fragwürdiger außerdienstlicher Kontakte bereits negativ aufgefallen war, hatte die Behörde ihn zum Abschied noch als „vorbildlichen Beamten“ ausgezeichnet.

Warum wurde nicht längst gehandet?

Tatsächlich waren die Fahnder ihm damals schon auf den Fersen. Doch Yeh wurde zunächst vom Ministerium vorzeitig pensioniert, dann von der Kreisregierung von Taoyuan wieder eingestellt.

Prosecutors said it was widely suspected in political and business circles that when Yeh headed the agency, he and other officials were the recipients of bribes and kickbacks from developers and construction firms.

When Yeh was forced to retire from the CPA in July last year, investigators alleged that with his usual flow of bribe money stemmed, Yeh began demanding large lump sums in bribes from companies with property development projects in his post as Taoyuan County deputy commissioner.

(Quelle)

Nun ist Schadensbegrenzung angesagt. Yeh ist aus der KMT ausgeschlossen worden. Mit reichlich Verspätung wurde beantragt, seine Konten zu sperren.

Und was ihn sicherlich hart treffen wird: Die mit der Auszeichnung als vorbildlicher Beamter verbundene Prämie von 1200 Euro muss er zurückzahlen, so das Innenministerium. Wenn er denn verurteilt wird.

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Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen

Comments

5 Antworten

  1. Danke Klaus, sehr guter Beitrag, es würde mich interessieren, ob Nebeneinkünfte von Politikern in Taiwan veröffentlicht werden müssen.
    Übrigens halte ich Vergleiche mit anderen Ländern unkonstruktiv. Fingerzeigen löst keine Probleme.
    Danke.

  2. Verglichen mit den Grundsätzen und Prinzipien, die von der Citigroup Corporation, N.Y. in ihren Global und Industrial Notes 2005 und 2006 unter den Stichworten „PLUTONOMY“ und „PLUTOCRACY“ als neuem amerikansichen Gesellschafts- und Wirtschaftssystem publiziert und seither systematisch etabliert und mit immer radikaleren und kriminelleren Mitteln etabliert werden, ist diese Korruption in Taiwan ja fast schon von beeindruckender Bescheidenheit.

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